1500 - Der Albino
winkte rasch ab. »Ich habe nicht gesagt, dass du es versuchen sollst. Es könnte doch sein, dass du es schaffst, ihm auf irgendeine Art und Weise näher zu kommen. Das genau meine ich und nichts anderes. Möglicherweise setzt er sich auch mit dir in Verbindung.«
Glenda schüttelte den Kopf. »Bestimmt nicht. Ich glaube nicht, dass ich in seinen Plänen eine Rolle spiele. Das könnt ihr euch wirklich abschminken.«
Suko hob die Schultern. »Ich denke, dass Glenda nicht so falsch liegt. Und wir sitzen hier und können nur abwarten. Das ist alles. Irgendwann und irgendwo wird dieser Albino auftauchen und seine Spuren hinterlassen.«
»Fragt sich nur als was. Als Mensch oder als Vampir?«
»Es bleibt beim Raten.«
»Leider«, sagte ich.
Mein Kaffee war mittlerweile kalt geworden. Ich trank ihn trotzdem. Er schmeckte leicht bitter, doch das passte genau zu meinem Zustand.
Im Innern spürte ich eine Bitternis und zugleich einen kalten Zorn.
Es war schlimm, dass wir hier saßen und nichts unternehmen konnten. Zwar war offiziell noch nichts passiert, aber wenn dies eingetreten war, konnte es auch schon zu spät sein.
»Was machen wir?« fragte Glenda.
Ich drehte mich um und hob die Schultern.
»Oder«, sagte Suko plötzlich, »wir machen es auf die ganz andere Tour, nämlich auf die normale.«
»Und wie sieht die aus?« fragte ich.
»Völlig unspektakulär. Wir besorgen uns die Adresse jenes Lucio und schauen uns mal bei ihm um.«
Meine Laune besserte sich. »Das ist eine gute Idee. Und jemand wird bestimmt wissen, wo er wohnt.«
»An wen denkst du da?«
Ich lächelte etwas schief. »Hören wir uns doch mal in der Kneipe um, in der auch Maggie Crane verkehrt. Wirte oder Wirtinnen wissen oft mehr, als sie zugeben wollen…«
***
Es war kein so schlimmer Anblick, wie ein plötzlich auftauchendes Monster ihn abgegeben hätte, aber Lucio war der Schock schon bis in alle Glieder gefahren. Denn diese neue Gestalt, die auf den Namen Dracula II hörte, war alles andere als ein normaler Mensch, auch wenn er nach außen hin so aussah und noch nichts von einem Vampir an sich hatte.
Saladin hatte ihn vorgestellt und trat selbst zurück in den Hintergrund. Dafür stellte Mallmann eine Frage, die schon mehr einer Feststellung nahe kam.
»Das ist er also?«
»Ja.«
»Du hast nicht übertrieben. Er sieht wirklich verdammt bleich aus, als hätte er kein Blut in seinen Adern.«
»Das täuscht, Will. Du brauchst keine Sorge zu haben, dass du irgendeine andere Flüssigkeit trinken musst. Dass er so aussieht, liegt nicht an seinem Blut.«
»Ich vertraue dir.«
Der Albino hatte jedes Wort verstanden. Jetzt war ihm endgültig klar geworden, welches Schicksal ihm bevorstand. Und er konnte sich nicht vorstellen, dem Blutsauger zu entkommen, der in seiner Düsterheit schon einem Fabelwesen glich, das aus einem laufenden Film gestiegen war, um sich an den Menschen zu verlustieren.
Mallmann hatte Lucio abschätzend betrachtet, als wäre er ein Stück Fleisch, das er soeben erworben hatte. Er sagte keinen Ton.
Dafür kam er auf Lucio zu.
Der konnte nicht weg. Hinter ihm gab es nur die Wand. Der Weg nach vorn war ihm durch die beiden Feinde versperrt. Es gab keinen Ausweg mehr.
Dracula hielt vor ihm an. Er hätte sein Opfer jetzt berühren können, doch das tat er noch nicht. Aus dunklen Augen fixierte er es, und Lucio glaubte zu sehen, dass sich dieses D auf der Stirn noch weiter rötete und intensiver strahlte.
Eine schwarze Jacke, eine schwarze Hose, schwarze Schuhe. Das alles passte perfekt zu seinen schwarzen Haaren, die nach hinten gekämmt waren und an der Stirn einige Geheimratsecken freiließen.
Hinzu kamen das kantige Kinn, die leicht gebogene Nase und der Mund, der eigentlich einen weichen Zug aufwies, aber diese Weichheit verlor, als die Lippen zuckten und Mallmann sie kurz danach öffnete.
Er zeigte sein Gebiss!
Und jetzt hatte der Albino die allerletzte Gewissheit. Er hatte es nicht mit einem normalen Menschen zu tun, sondern mit einem Vampir. Darauf deuteten die beiden Eckzähne hin, die wie kleine, gelbliche Lanzenspitze aus dem Oberkiefer wuchsen.
Lucio wusste, wie alles ablaufen würde. Der Vampir würde die beiden Zahnspitzen in die Haut an seinem Hals schlagen und dabei versuchen, eine Ader zu treffen, damit das Blut fließen konnte.
»Freust du dich schon, Lucio?«
Der Albino hatte die Frage nicht erwartet und zuckte leicht zusammen. »Worauf soll ich mich freuen?«
»Auf dein neues Dasein. Es
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