1500 - Der Albino
Da war ein Trieb entstanden, den er hinnahm und keinesfalls dagegen ankämpfte. Zugleich erlebte er die Botschaft, die der Trieb mit sich brachte, und plötzlich gab es für ihn nur ein Wort, um das sich alles drehte – Blut!
Ja, der Lebenssaft der Menschen, der für sie ihr Ein und Alles war.
Auch für den Albino, nur in einer anderen Form. Blut würde zu seinem Elixier werden. Das brauchte er, und das wollte er. An alles andere konnte er nicht mehr denken.
Er winkelte die Arme an und stemmte sich mit dem Oberkörper hoch. Danach drückte er seine Handflächen flach auf den Boden, um die nötige Standfestigkeit zu erhalten. Und so gelangte er in eine Haltung, die ihm besser gefiel.
Auf den Knien wartete er ab. Er spürte etwas in seinem Mund, wenn er die Zunge nach vorn schob. Das war zuvor nicht dort gewesen.
Nun ertastete er es. Zwei längere Spitzen, die die normalen Zähne überragten und gegen die er seine Zunge drückte.
Es durchzuckte ihn wie ein Stromschlag!
Der Albino war zu einem Vampir geworden und damit in sein zweites Dasein eingetreten.
Vielleicht hätte er als Mensch gejubelt, aber als Blutsauger spürte er etwas anderes.
Es war die reine Gier nach dem Lebenssaft der Menschen. Er brauchte Blut, nur Blut. Er fühlte sich noch nicht stark genug, und wusste, dass er nur die Stärke erreichen konnte, die er für nötig hielt, wenn er Blut getrunken hatte. Alles andere war für ihn nicht mehr wichtig. Er wollte nur noch trinken, schlürfen und genießen.
Und er stellte fest, dass die Kraft allmählich in seinen Körper zurückkehrte.
Plötzlich war die Stimme hinter ihm da. Und es war eine, die er kannte.
»Ah, du bist wach…«
Der Albino drehte sich um und schraubte sich zugleich hoch, was er mit einer geschmeidigen Bewegung auch schaffte. Er schaute nach vorn und sah dort einen normalen Menschen.
Saladin schaute ihn an. Er stand in lockerer Haltung vor ihm und hatte seine Arme vor der Brust verschränkt. Sein Gesicht zeigte einen zufriedenen Ausdruck, denn im grauen Licht der Hütte sah er, dass der Albino seinen Mund geöffnet hatte und dabei das präsentierte, was ihn als Blutsauger kennzeichnete.
Die beiden Spitzen der Zähne schimmerten in einem Farbton zwischen Gelb und Weiß.
»Komm her, mein Freund.«
Der Albino wartete. Er hatte die Aufforderung verstanden, aber seine Gedanken kreisten um etwas anderes.
Blut! Nur das gab es für ihn. Die erste Nahrung aufnehmen, um seine Schwäche zu bekämpfen. Leer saugen bis zum letzten Tropfen, um sich dann wohl zu fühlen.
Saladin war kein Dummkopf. Er wusste verdammt genau, wie der Hase lief. Der Blick sagte ihm alles. Der Albino dachte nicht an die Person, sondern nur an das, was in Saladins Adern floss.
Er wollte trinken!
Der Hypnotiseur hörte das satte Brummen. Es klang, als hätte jemand einen Motor angelassen, und einen Moment später hielt den Albino nichts mehr auf dem Platz.
Saladin schaute dem Angriff gelassen entgegen. Er konnte sich auf die Macht der Hypnose verlassen und gab den Befehl zum Stopp.
Es passierte nichts!
Der Vampir-Albino lief weiter. Die Befehle kamen nicht bei ihm an. Die Gier nach Blut war einfach zu stark, und plötzlich wurde es für Saladin verdammt eng.
Die letzte Strecke sprang Lucio nach vorn. Er hätte Saladin voll erwischt, wenn dieser nicht reagiert hätte. Doch ein kurzer Sidestep reichte aus.
Lucio sprang ins Leere. Er prallte gegen die Tür, schrie ärgerlich auf und lag plötzlich auf dem Boden, weil Saladin ihm mit einem blitzschnellen Tritt die Beine weggetreten hatte.
Er schrie wütend auf. Dann warf er sich herum, sprang auf die Füße und bereitete einen neuen Angriff vor.
Saladin gab nicht auf. Es wollte ihm einfach nicht in den Sinn, dass er diesen Blutsauger nicht mit seiner Gedankenkraft stoppen konnte. Das war ihm bei den anderen, die hier herumliefen, immer gelungen, warum jetzt nicht?
Er gab den Befehl noch mal. Dabei konzentrierte er sich direkt auf die Augen des Blutsaugers, die ihre leicht rötliche Färbung behalten hatten, und diesmal packte er es.
Lucio schlaffte ab!
Es schien, als hätte man alles aus seinem Körper herausgesogen.
Die Beine gaben nach, in Höhe der Knie fingen sie an zu zittern, und er wäre gefallen, wenn Saladin ihn nicht gehalten hätte. Er schüttelte ihn durch und brachte sein Gesicht dicht vor das des Blutsaugers.
»Was willst du?«
Er wartete darauf, dass der Albino entsprechend antwortete. Das tat er nicht, denn das Wort, das er hatte
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