1500 - Ruf der Unsterblichkeit
überhaupt nichts erreicht hatte. Die hohen Herren auf Roost waren nicht durch den unermüdlichen Kampf der Unterdrückten zur Einsicht gekommen. Es war überhaupt die Frage, ob sie einsichtig Waren, denn die Anerkennung der Invitros ais Gleichberechtigte war durch das Eingreifen unbeteiligter Dritter erwirkt worden. Bei diesen Dritten handelte es sich nicht einmal um Ronald Tekener und Roi Danton. Auch das Engagement der Terraner hatte überhaupt nichts bewirkt.
Es waren Fremde gewesen, die praktisch aus dem Nichts auftauchten und für den Frieden zwischen Invivos und Invitros gesorgt hatten. Und diese Tatsache hinterließ bei Cykelen einen bitteren Beigeschmack. Denn es war kein Sieg der Vernunft, kein Triumph der Menschlichkeit. Es war ein von außen gesteuertes, synthetisches Arrangement. Es war weder Fisch noch Fleisch. Und darum konnte sich Cykelen über diese Lösung nicht freuen.
STREIFLICHT VI
Sechstausend Kilometer Luftlinie von der Stadt entfernt zieht ein mächtiger Strom seine Bahn durch den Dschungel. Sechstausend Kilometer, das ist fast schon am anderen Ende der Welt. Dieser Strom zieht an einer Stelle eine charakteristische Doppelschleife. Diese Serpentine liegt neunzig Kilometer, landeinwärts. Hier hat der Strom noch die beachtliche Breite von mehreren Kilometern; seine Wasser treiben träge dem Meer zu.
Vierzig Kilometer näher der Mündung verengt sich der Flusslauf jedoch plötzlich auf lediglich einen Kilometer Breite. Die restlichen fünfzig Kilometer bis zur Meeresküste fließt der Strom so schmal. Die Wassermassen erreichen hier eine ungeheure Geschwindigkeit: Sie werden schier mit der Geschwindigkeit eines Flugzeuges durch dieses Nadelöhr gepresst, bevor sie sich in der Meeresbucht wieder beruhigen. Ein Fluss, der nahe der Quelle zehnmal so breit ist wie an der Mündung, ist ein seltenes Naturphänomen.
Es gibt eine irdische Entsprechung: den Amazonas mit der Strom enge von Obidos. Die hier beschriebene Strom enge ist dem terranischen Vorbild nachempfunden. Nur dass diese Nachahmung mit der gigantischen Länge von fünfzig Kilometern ein Vielfaches der Länge des Originals erreicht. Es gibt an diesem Ort noch mehr solcher Abbilder von anderen Welten.
6. Tuery Yezag: Die Friedensstifter
„Ich weiß nicht, wie ich es anders ausdrücken soll", sagte der Delegierte der Blues. „Aber für uns Tentras sind die Linguiden ein begnadetes Volk.
Sie erscheinen uns als Auserwählte, deren Bestimmung es ist, das Chaos im Universum zu ordnen und es zu befrieden. Vielleicht wurden sie eigens zu diesem Zweck geboren." Tuery Yezag war eine imposante Erscheinung. Zwei Meter groß, schlank und wohlproportioniert. Für bluessche Begriffe war er ein gutaussehender, stattlicher Mann. Aber er machte auch auf Terraner Eindruck.
Der Delegierte des Simban-Sektors, der Vertreter der Tentra-Blues im Galaktikum, galt als besonnener, analytischer Geist. Und weil das allen bekannt war, überraschte es um so mehr, dass er sich derart beeindruckt zeigte und über die. Maßen ins Schwärmen geriet. Er rief damit bei. seinen Zuhörern .zuerst lediglich Verwunderung hervor.
Der Delegierte der Tentra-Blues hatte sich um zehn Tage verspätet und sich damit entschuldigt, dass er bei den bluesschen Brudervölkern, den Gatasern und Apasos, in diplomatischer Mission unterwegs gewesen sei. „Es war meine Pflicht, unsere Brüder auf die unglaublichen Fähigkeiten der Linguiden hinzuweisen, sie darauf aufmerksam zu machen, welche Perle des Geistes da im verborgenen entstanden ist", erklärte er. „Und darum bin ich auch auf Terra. Als verantwortungsbewusster Galaktiker sehe ich mich. dazu verpflichtet, auch die Menschheit über das segensreiche Wirken der Linguiden zu informieren und sie zu ermuntern, bei Streitfragen ihre Dienste in Anspruch zu nehmen. Mit den Linguiden ist der Milchstraße ein Volk von unbestechlichen Schiedsrichtern und Friedensstiftern erwachsen. Ein Volk, das mit der Macht der Worte die Zukunft unserer Galaxis gestalten könnte. Vertrauen wir uns ihnen an, legen wir unser Schicksal in ihre Hände. Sie sollten unsere Ordnungshüter sein, die Garanten für ewigen Frieden."
Die Zuhörer waren von solch salbungsvollen Worten unangenehm berührt. Der als nüchtern geltende Tuery Yezag machte geradezu den Eindruck eines eifernden Verkünders einer neuen Religion. Man war sich noch nicht klar darüber, ob er ein überzeugter oder gekaufter Apostel der sogenannten Friedensstifter war. Der
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