1503 - Die Nacht der Bestien
Seele eines Menschen, die über längere Zeit hinweg bei ihm und seinen Eltern gelebt hatte.
Es war in den letzten Minuten ein seltsames Gefühl in ihm aufgestiegen.
Es kam daher, weil er immer an die Wölfe denken musste. Das hier war für sie die perfekte Nacht, doch einen nachvollziehbaren Grund gab es für Johnnys Gedanken nicht, denn es hatte bisher nichts auf einen Werwolf hingewiesen. Dennoch ließ ihn der Gedanke nicht los. Und er wäre nicht überrascht gewesen, wenn plötzlich eine wilde Gestalt im bleichen Licht der Scheinwerfer erschienen wäre.
Er sah, dass Jenny lächelte. »Was hast du für einen Spaß?«, fragte er sie.
»Du siehst aus, als hättest du keine Lust.«
»Na ja, sie hält sich in Grenzen.«
»In einer Minute sind wir da.«
»Schön.«
»Und dann wird gewandert.«
»Wohin?«
»Zur Hütte und zurück.«
»He, ich dachte, wir würden dort anhalten?«
»Das tun wir auch. Erst das Moon Walking, dann die Pause, und anschließend geht es wieder zurück.«
»Hört sich richtig spießig an.«
»Ja, das ist die Rückkehr der Spießigkeit.«
Johnny sagte nichts mehr. Er sah, dass der Rand des Waldes an der rechten Seite näher gerückt war. Jenny bewies, dass sie sich auskannte, denn sie hielt den Wagen dort an, wo es eine kleine Einbuchtung gab.
»Da wären wir.«
»Jetzt schon?«, quengelte Camilla.
»Ihr könnt ja später weitermachen.«
»Mal sehen.«
Jenny klatschte in die Hände. »Aussteigen und alles mitnehmen, was wir brauchen.«
Das war auf zwei Rucksäcke verteilt. Die jungen Männer waren Kavaliere und schnallten sie sich auf den Rücken.
Dann wurde Jenny danach gefragt, wo es langging.
Sie deutete schräg nach vorn. »Wir gehen über die freie Fläche und erreichen dahinter erneut einen Wald. Dort steht dann auch die Hütte, in der wir eine Pause machen.«
»Wie lange laufen wir denn dahin?«, fragte Robby Coleman.
»Keine Ahnung. Aber der Weg ist etwas über zwei Kilometer lang. Mehr nicht.«
»Zurück müssen wir ja auch noch«, maulte Robby. »Na und?«
»Dann sind es fünf Kilometer.«
»Aber mit leichteren Rucksäcken«, sagte Johnny, der nicht mehr lange diskutieren wollte. »Lass uns endlich aufbrechen.«
Jenny nickte. »Das meine ich auch.«
Robby und Camilla ergaben sich in ihr Schicksal, während Johnny sich bereits in Bewegung gesetzt hatte.
Er war nicht der fröhliche Wanderer. Eine gewisse Befürchtung konnte er einfach nicht loswerden. Diese Nacht war noch lang, und da konnte verdammt viel passieren…
***
Der weiche Boden, das feuchte Gras, der dunkle Himmel mit dem kreisrunden gelben Ausschnitt, all das gehörte zum Moon Walking. Und es kam noch das Schweigen hinzu. Selbst Jenny Modner hielt den Mund, was bei ihr schon mehr als ungewöhnlich war. Normalerweise redete sie bis zum Einschlafen durch.
Aber in dieser Nacht war sie der Meinung gewesen, dass jedes Wort überflüssig war und die Kraft des Mondes reduzierte, sodass sein Licht nicht mehr seine volle Wirkung hatte.
Johnny Conolly hatte die Führung übernommen. Er blieb in dem Trott, den er von Beginn an eingeschlagen hatte. Nichts konnte ihn aufhalten.
Er hatte aufgehört, seine Schritte zu zählen. Er hörte nur die dumpfen Geräusche, die immer dann entstanden, wenn er mit den Füßen auftrat.
Eigentlich hatte er sich vorgenommen, an gewisse Dinge zu denken, aber das konnte er jetzt lassen. Der ewig gleiche Trott störte ihn irgendwie, und wenn er nach oben zum Himmel schaute, sah er nur den gelben Kreis.
Der Mond war das Auge. Der Mond sah alles. Der Mond schickte seine Botschaft auf die Erde, um sensible Menschen in seinen Bann zu ziehen.
Aber nicht nur sie, es gab auch andere Wesen, die von ihm beeinflusst wurden. Tiere veränderten ihr Verhalten, und da brauchte man nicht mal an Werwölfe zu denken.
Johnny dachte trotzdem daran. Er wurde diesen Gedanken einfach nicht mehr los, so sehr er sich auch bemühte. Und das kam nicht von ungefähr. Das musste seine Gründe haben, und so glaubte er an eine Vorwarnung, die sich möglicherweise zu einer schrecklichen Wahrheit verdichten konnte.
Den anderen erzählte er nichts davon. Überhaupt hielt man sich an die Regel. Es wurde kaum gesprochen. Wenn jemand redete, dann war es Robby Coleman, der sich über den Weg beschwerte.
In der Dunkelheit konnte man auch leicht den Eindruck gewinnen, so gut wie nicht voranzukommen, sodass das Ziel kaum näher rückte. Johnny erging es zumindest so, und er war sich sicher, dass die anderen
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