1504 - Mordgeschichten
ich leider eingehen. Aber ihr werdet schon zurechtkommen.«
»Und wo finden wir ihn?«, fragte Suko.
»In einem Ort namens Ballyquin. Oder in der Nähe.«
Suko und ich schauten uns an. Synchron hoben wir die Schultern, was Glenda zu einem Lächeln reizte.
»Klar, dass ihr euch nicht auskennt«, sagte sie spitz. »Aber ihr habt ja mich.«
»Dann klär uns mal auf.«
Sie warf uns einen wissenden Blick zu. »Der Ort liegt im Südwesten auf einer Halbinsel. Alles in allem recht einsam, so wie ich das sehe. Aber ihr habt trotzdem Glück. Ihr könnt bis Killarney fliegen und euch dort einen Leihwagen besorgen. Von da sind es dann nicht mehr viele Kilometer.«
»Vorausgesetzt, es gibt eine Straße«, sagte ich.
»He, was denkst du denn? Die Iren gehören zu Europa. Die leben nicht mehr auf dem Mond.«
»War auch nur so eine Bemerkung.«
»Okay, die Tickets sind gebucht. Nur nicht mehr für den heutigen Tag. Ihr habt noch das Vergnügen, in euren Betten schlafen zu dürfen.«
»Da freuen wir uns aber.«
»Das meine ich auch.«
Ich schaute Suko an. »Wie ist es?«
»Ich habe nichts dagegen. Nur wäre ich lieber heute schon losgefahren. Wer weiß, was noch alles passiert. Wir wissen schließlich beide, dass dieser Mike Raven und sein Held Aaron viele Fans haben, und ich wäre nicht mal überrascht, wenn noch ein weiterer Fan durchdreht.«
»Das ist leider unser Problem.«
»Ich kann euch die Bücher besorgen«, schlug Glenda vor.
»Nein, lass mal. Mit dem Autor selbst zu sprechen ist besser.«
»Wie du willst, John.«
Zufrieden sahen Suko und ich nicht aus, als wir in unser Büro gingen und die Plätze hinter unseren Schreibtischen einnahmen.
»Man könnte dem Autor mailen.«
Ich winkte ab. »Er wird nicht antworten. Und ich glaube auch nicht, dass er für uns telefonisch zu erreichen ist.«
»Glaubst du denn, dass er informiert ist und somit über alles Bescheid weiß?«
»Das muss er sein. Er hat diesen Aaron, diesen Killer, diesen bösen Engel, schließlich erfunden.«
Suko hob die Augenbrauen. »Erfunden?«
»Ja.«
»Und was hältst du davon, wenn wir davon ausgehen, dass er und dieser Aaron ein und dieselbe Person sind?«
»Das wäre in der Tat eine Überraschung. Aber davor ist man ja leider nie gefeit.«
»Du sagst es, Alter…«
***
Das Bad war nicht groß, und die Heizung funktionierte auch nicht besonders. Trotzdem hatte Mike Raven geduscht, sich abgetrocknet und schaute sich nun im Spiegel an.
Er bot eine jämmerliche Gestalt, das musste er sich selbst gegenüber schon zugeben. Seine Figur war nicht eben als ideal einzustufen, die dünnen Haare standen struppig ab. Kaum einer hätte ihm geglaubt, dass er es war, der diese Bestseller schrieb. Dass er sich die Figuren ausgedacht hatte, aber selbst so aussah wie jemand, der immer ganz hinten in der Reihe steht, um nicht aufzufallen.
An diesem Morgen hatte er lange geschlafen. Ja, er war in einen Schlaf gefallen, das jedoch nur, weil er sich am Abend müde getrunken hatte.
Die Folgen davon waren von seinem Gesicht abzulesen. An den Ringen unter den Augen und an den Faltensäcken.
Aaron lebte!
Dieser Gedanke hatte ihn schon gleich nach dem Erwachen erfasst. Er bekam ihn nicht mehr aus dem Kopf, so sehr er sich auch bemühte. Es war etwas passiert, was er nie für möglich gehalten hatte. Seine erfundene Figur gab es auch in der Realität.
Aber was war das für eine Wirklichkeit? Eine zweite, die hinter der ersten lauerte? Eine andere Dimension? Eine Welt, die normalerweise im Unsichtbaren verborgen blieb? In der das Böse wirklich existierte?
Hatte er durch seine Geschichten das Tor zur Hölle aufgestoßen und damit den Weg für den Teufel frei gemacht?
Es war eigentlich verrückt, an so etwas zu denken. Bisher waren all seine Geschichten nur aus der reinen Fantasie entstanden. Er hätte es nie für möglich gehalten, dass diese Fantasie zur Realität werden könnte, doch nun musste er sich damit abfinden.
Es gibt ihn wirklich!
Der Killer Aaron war existent, und er sah so aus, wie in den Romanen beschrieben. Ein gesichtslosen Wesen, eingehüllt in eine Kutte, so kam er wie die Strafe der Hölle über die Menschen und gab sich als Vorbote der Apokalypse aus.
In den Romanen Und nicht in der Wirklichkeit!
Das allerdings war jetzt außer Kraft gesetzt worden. Aaron war erschienen. Und sein Erfinder wusste nicht, woher er gekommen war, das hatte er ihm nicht gesagt. Er war nun unterwegs, um seine Zeichen zu setzen. Und die bestanden
Weitere Kostenlose Bücher