1504 - Mordgeschichten
hörte sie schreien, als sie fiel und erneut mit dem Bauch zuerst aufschlug. Diesmal erwischte es sie härter, denn ihr Kinn und das übrige Gesicht wurden in Mitleidenschaft gezogen. Der Schmerz ließ sie schreien.
Ramona dachte nicht mehr daran, sich wieder zu erheben. Wimmernd lag sie auf dem Boden.
Ich nutzte die Chance und holte meine Handschellen aus Kunststoff hervor. Diese leichten Dinger waren verdammt reißfest.
Sekunden danach hingen die beiden Kreise an ihren Handgelenken. Erst dann drehte ich sie auf die Seite.
Blut rann aus ihrer Nase und sickerte in den offen stehenden Mund. Die Augen waren weit aufgerissen. Der Blick, der mich traf, steckte voller Hass, und sie fauchte mich an, als wäre sie ein Tier. Das Sturmfeuerzeug lag neben ihr. Ich nahm es an mich und ließ es in meiner Jackentasche verschwinden.
Im Moment hatte ich Ruhe vor ihr. Jetzt dachte ich auch an Bill.
Er war zu den vier Kindern gegangen und hielt sie umarmt. Ihnen war nichts passiert.
Der Kloß, der mir ihretwegen im Hals gesessen hatte, löste sich auf. Ich konnte sogar schon wieder lächeln.
»Bring sie raus, Bill. Das hier ist erledigt.«
»Okay.«
Er ging mit ihnen auf den Ausgang zu und sorgte dafür, dass die Kinder nicht unbedingt auf ihre am Boden liegende Erzieherin schauten.
Ich wollte Ramona nicht am Boden liegen lassen und zog sie deshalb in die Höhe. Einen Sitzplatz gab es. Es waren die gestapelten Matten, die ihr Platz boten.
Ich musste sie festhalten, sonst wäre sie über ihre eigenen Füße gestolpert. Als sie saß, gab ich ihr ein Taschentuch. »Sie bluten, wischen Sie das Blut weg.«
Ramona hob ihre gefesselten Hände an, ohne mich dabei aus den Augen zu lassen. Allmählich klärte sich ihr Blick.
Er glitt wieder zurück in die Wirklichkeit.
Heftige Atemzüge sorgten dafür, dass sich ihre Brust hob und senkte, und als ich sie ansprach, zuckte sie zusammen.
»Es hat nicht geklappt, Ramona. Nicht alles geht in Erfüllung, was Sie gelesen haben.«
»Was meinen Sie?«
»Der böse Engel.«
»Ha, was weißt du schon!«
»War er bei Ihnen?«
»Ja.«
»Und weiter?«
Wieder änderte sich der Ausdruck in ihren Augen. Ich sah darin so etwas wie ein Strahlen.
»Ja, er hat mich besucht. Ich habe ihn gespürt. Er ist da, um das Geschriebene umzusetzen. Ist das nicht so etwas wie ein Wunder? Eine andere Welt hat sich für mich geöffnet, und ich habe dabei sein wollen.«
»Das ist dann wohl vorbei«, erklärte ich.
»Meinst du?«
»Ja.«
»Du kennst ihn nicht.«
»Das kann schon sein. Aber ich werde den bösen Engel stellen, darauf kannst du dich verlassen.«
Sie schüttelte den Kopf, und es sah recht wütend aus. »Du wirst ihn nicht stoppen können. Du bist zu schwach. Jeder Mensch ist zu schwach. Die Zeit ist reif für den bösen Engel. Alles andere, was du sagst, das stimmt nicht.«
»Hat Mike Raven ihn erfunden?«
Ich hatte die Frage bewusst so formuliert und erhielt die Antwort, die ich mir vorgestellt hatte.
»Erfunden? Es ist nicht erfunden. Es gibt ihn. Die drei Bücher enthalten die tiefen Wahrheiten, und der böse Engel wird seine Zeichen in dieser Welt setzen. Er hat viele Helfer, sehr viele sogar. Tausende haben sich von seiner Faszination fesseln lassen, das kann ich dir schwören.«
»Ich habe von den Büchern gehört.«
Sie funkelte mich an. »Hast du sie auch gelesen?«, flüsterte sie scharf.
»Nein, dazu bin ich noch nicht gekommen.«
»Das solltest du aber. Ja, du solltest sie lesen. Das ist wichtig, sehr wichtig. Sie sind wie die Bibel, aber die neue Bibel, die der böse Engel Aaron geschrieben hat.«
»Ach, ich dachte, der Autor heißt Mike Raven.«
»Er ist nur der Übermittler. Er hat Aaron bekannt gemacht. Er hat ihn in die Welt hinausgetragen. Und es wird niemanden geben, der ihn stoppen kann. Auch du wirst es nicht schaffen. Wir alle sind mächtig, sehr mächtig. Und wir alle werden durch die Bücher seine Botschaft erhalten.«
»Hast du ihn gesehen, Ramona?«
Sie riss vor ihrer Antwort die Augen wieder weit auf. »Gesehen und auch gespürt. Aaron kam in der Nacht zu mir, und es war, als wäre er aus dem Buch gestiegen, um mich als seinen Fan in die Arme zu nehmen. Es ist ein wundervolles Gefühl gewesen, und ich habe mich ungemein sicher gefühlt, als er in meiner Nähe war.«
»Was hat er dir gesagt?«
»Dass ich handeln soll. Und zwar in seinem Sinne. Ich habe alles getan, was er wollte. Ich habe so reagiert, wie es in diesem Buch steht. Ja, er hat mich
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