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1504 - Mordgeschichten

1504 - Mordgeschichten

Titel: 1504 - Mordgeschichten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jason Dark
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können. Er wunderte sich auch darüber, dass er noch in der Lage war, das Tablett zu halten.
    Er sah, dass die Gestalt den Kopf hoch. Drei Viertel davon waren von einer Kapuze verdeckt. Nur der Ausschnitt vorn lag frei, aber da war kein Gesicht zu sehen, sondern nur eine schwarze Masse.
    So anders die Gestalt auch war, sie kam Mike Raven bekannt vor, denn sie stammte…
    Nein, das war doch nicht möglich, das war verrückt! So etwas konnte nicht sein…
    Raven hörte eine Stimme. Sie entstand im Dunkel des Gesichts, und die Worte galten ihm, dem Autor.
    »Ich bin Aaron, der böse Engel…«
    ***
    Die Gläser auf dem Tablett rutschten, doch sie kippten nicht über den Rand hinweg, weil Raven es mit einer schnellen Bewegung auf einer Anrichte abstellte. Danach drehte er den Kopf und starrte in die Schwärze des Kapuzenausschnitts.
    Er hatte zwar eine Antwort erhalten, die allerdings konnte er nicht akzeptieren, denn was er da sah, das ging ihm nicht in den Kopf. So etwas war unbegreiflich.
    »Wer bist du?« Bei diesen Worten kannte er seine eigene Stimme kaum wieder.
    »Aaron, das weißt du doch. Ich bin so etwas wie du. Denk daran, du hast mich erschaffen. Ich bin dein Werk.«
    Mike Raven hatte die Antwort genau verstanden, aber das Begreifen fiel ihm schwer. Er schüttelte den Köpf und flüsterte: »Du - du - lebst?«
    »Ja, wie du siehst.«
    »Das kann nicht sein.«
    »Doch, du hast mich erschaffen, mein Freund. Aus Himmel und Hölle geholt. Ich bin keine Fantasie mehr. Deine Ideen sind Realität geworden. Wir gehören nun zusammen.«
    Mike Raven schwankte. Er konnte das Gehörte einfach nicht fassen. Die Umgebung geriet in Bewegung, obwohl sie sich gar nicht drehte. Der Schwindel steckte in ihm, und er war froh, sich an der Wand abstützen zu können.
    Nur langsam gelang es dem Autor, wieder normal Luft zu holen. Er spürte auch seinen Magen, der irgendwie revoltierte. In seinem Kopf tuckerte es. Er war doch nicht betrunken! Das, was er mit seinen eigenen Augen sah, entsprach der Wahrheit. Vor ihm stand kein Geist.
    Dieses Gebilde sah aus wie ein Mensch aus Fleisch und Blut, obwohl er das gar nicht sein konnte.
    Aaron saß an seinem Platz. Es war eine Geste, die den Autor kränkte, aber sie traf auch zu. Seine Figur hatte ihn übernommen. Sie war jetzt er, und das trug eine Symbolik in sich, die ihn innerlich fertigmachte. Er wusste selbst nicht mehr, was er tun oder denken sollte. Hier stand jemand, der ihm über war.
    Viele Bücher hatte er geschrieben. Es lagen noch genügend Geschichten aus alten Zeiten in der Schublade. Die hatten die Verlage abgelehnt.
    Erst mit seinen Horrorgeschichten war er groß herausgekommen, weil in ihnen das stand, was ein bestimmtes Publikum lesen wollte. Und das war nicht eben harmlos.
    Eine Figur wird lebendig. Nicht eine Gestalt, die sich die Filmemacher ausgedacht hatten, um sie auf die Leinwand zu bringen. Nein, diese Figur hier war etwas völlig anderes, aber sie entsprach den Beschreibungen ihres Schöpfers.
    Aaron hatte so ausgesehen. Oder sah so aus. Er war eine schreckliche Gestalt, die durch seine Geschichten geisterte und die Menschen quälte oder tötete. Aaron war unfassbar, und er hatte mit den Worten, die er gesprochen hatte, den Nagel auf den Kopf getroffen.
    Ja, er war ein böser Engel!
    »Du bist ich. Ich bin du. Du hast mich erschaffen, Mike. Das weißt du doch.«
    Die Stimme war wieder da, doch in der Schwärze bewegte sich nichts.
    Da gab es keinen Mund, der sich geöffnet hätte. Aus irgendeinem Dunkel oder einer Tiefe drang sie hervor, und wieder rann es dem Schriftsteller kalt den Rücken hinab.
    »Es ist gut, so zu existieren. Du hast mich erschaffen, und damit musst du leben. Ich werde ab jetzt an deiner Seite sein und all das tun, was ich in deinen Geschichten getan habe. Es wird Blut fließen, viel Blut, mein Freund.«
    Mike Raven musste nach Luft schnappen, um eine Antwort geben zu können.
    »Das kann nicht sein. Ich glaube es nicht. Du bist nicht am Leben. Ich habe dich nicht als lebendiges Wesen erschaffen. Du bist ein Produkt meiner Fantasie.«
    »Jetzt nicht mehr!«
    Die Antwort hatte nur aus drei Worten bestanden, aber sie hatten den Kern getroffen. Durch das Erscheinen dieser Gestalt hatte sich sein Leben verändert. Nichts würde mehr so sein wie früher. Er würde sich nicht mehr an die Maschine setzen und schreiben können. Das Unbefangene war weg. Alles hatte sich verändert. Er war dabei, einen großen Schritt in eine neue Phase seines

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