1508 - Der Templerjunge
wieder lösten sich von ihm schwarze Qualmwolken.
Marita Kovec hielt den Atem an. In diesen Momenten fluteten schreckliche Gedanken durch ihren Kopf, und die setzten sich aus einer wahnsinnigen Angst um ihren Sohn zusammen. Sie war sicher, dass er direkt oder indirekt etwas mit dieser Feuerhölle zu tun hatte, und sie befürchtete zugleich, dass er sich auch überschätzt hatte und zu einem schwarzen Skelett verbrannte.
Den genauen Grund ihres Hier seins kannte sie noch immer nicht, aber er musste ihrer Meinung nach mit dem Vorgang zusammenhängen, der die Nacht zerrissen hatte.
Imre war noch so jung. Er hatte noch sein ganzes Leben vor sich. Auch wenn er den meisten Kindern seines Alters überlegen war, er blieb letztendlich ein Kind, auch wenn er bereits fast wie ein Erwachsener und sehr ernst wirkte, als wäre er ständig dabei, über sein zukünftiges Schicksal nachzudenken.
Ewig blieben Feuer und Rauch nicht bestehen. Beides sank in sich zusammen. Marita blieb weiterhin die Beobachterin und grübelte darüber nach, wo die Explosion wohl stattgefunden haben könnte.
Leider kannte sie die Gegend zu wenig, um den Ort zu lokalisieren. Es war in Richtung Westen, mehr konnte sie nicht sagen, aber sie erinnerte sich daran, bei der Herfahrt Gleise gesehen zu haben, und die könnten Imres Ziel gewesen sein.
Dann wurde die Ruhe der Nacht gestört. Sirenengeheul malträtierte ihre Ohren. Obwohl es weit von ihr entfernt aufklang, war es in der Stille doch sehr deutlich zu hören, und sie sah auch schwach den Schein der blauen und roten Lichter.
Ein Unglück, eine Katastrophe. Beide Begriffe wollten ihr nicht aus dem Kopf. Unter Umständen gab es viele Verletzte und Tote, wobei der einzige Mensch, der ihr näher Auskunft darüber geben konnte, ihr Sohn Imre war.
Wann kam er zurück?
Die nächste Zigarette. Es war die letzte aus der Schachtel. Der Ascher quoll fast über. Sie würde Mühe haben, die Kippe darin auszudrücken.
Die Flamme tauchte für einen Moment vor der Zigarette auf, setzte sie in Brand, und wenig später saugte die Frau gierig den ersten Rauch in die Lunge.
Auf ihrer Oberlippe lag ein dünner Schweißfilm. Er hatte sich auch auf der Stirn gebildet, und daran klebten einige Haarsträhnen fest.
In ihrem Kopf herrschte eine gewisse Unruhe, wobei sich die Angst um ihren Sohn immer mehr steigerte und ihre Hoffnung, ihn bald wieder bei sich zu haben, stetig sank.
Sie wollte auch nicht mehr rauchen und drückte die halbe Zigarette im Ascher aus. Eine innere Stimme riet ihr zur Flucht. Sie würde hier bald nicht mehr sicher sein.
Sie schrie leise auf, als jemand gegen die rechte Scheibe an der Fahrerseite klopfte.
Eine schnelle Drehung des Kopfes.
Das Gefühl der Erleichterung erfasste sie.
Imre war zurückgekehrt. Er nickte ihr kurz zu, dann verschwand sein Gesicht wieder. Sekunden später öffnete er die Beifahrertür und ließ sich auf den Sitz fallen.
Marita schaute ihn an. Sie wollte erkennen, ob ihm ein Leid angetan worden war, doch sie entdeckte nichts, was auch nur im Entferntesten darauf hingewiesen hätte.
Die Mutter konnte nicht anders. Sie musste einfach die Wange ihres Sohnes streicheln, und dann erst drangen die ersten Worte aus ihrem Mund.
»Bin ich froh, dich hier wieder gesund zu sehen.«
Imre lächelte. »Mir geht es gut, Mutter.«
»Das freut mich. Himmel, das freut mich so sehr.«
»Und ich kenne jetzt meine Bestimmung.«
»Wie - wie lautet sie denn?«
»Ich kann etwas sehen.«
Marita schüttelte den Kopf. »Das kann ich auch. Was ist daran besonders, mein Junge?«
»Ich sehe etwas voraus.«
»Du meinst die Explosion?«
»Ja.«
»Und wie ist das möglich? Woher wusstest du, dass sie stattfinden würde?«
Er hob die Schultern. »Ich wusste es einfach. Es waren brutale Menschen, die eine Bombe gelegt haben. Der Zug wäre zerrissen worden, denn sie lag an und auf den Gleisen. Mir ist es gelungen, den Zug rechtzeitig genug zu stoppen, und jetzt ist alles gut. Ich bin zufrieden. Sehr sogar.«
Marita umarmte ihren Sohn und flüsterte: »Das freut mich, mein Kind, das freut mich.«
»Aber es ist erst der Beginn, glaube ich. Es ist mein Schicksal. Ich werde wohl immer unter dem Druck leben müssen, und ich weiß nicht, ob es mir stets gelingen wird, die Menschen davon zu überzeugen, dass sie etwas Bestimmtes tun müssen, um die Katastrophe zu verhindern. Und wenn das eintritt, werde ich zu leiden haben.«
»Was heißt das?«
»Eigentlich will ich nicht so sein, wie
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