1510 - Der Hexenbrunnen
Brunnen, und Justine konnte zunächst nichts damit anfangen. Bis ihr klar wurde, dass es sich um ein Blubbern handelte, als wäre dort eine Flüssigkeit am Kochen, die Blasen produzierte, sie an die Oberfläche schickte und die dann zerplatzten.
Ja, so musste es sein.
Bis auf Lucy waren die anderen Hexen etwas vom Brunnen weggetreten.
Die Rothaarige blieb stehen. Sie schaute sehr interessiert in den Kessel hinein, wedelte mit beiden Händen den Qualm oder Nebel zur Seite und lachte dann.
»Siehst du was?«
»Ja!«
»Und?«
»Wir haben es wieder geschafft!«
Vier Hexen jubelten verhalten, während die Rothaarige am Kessel stehen blieb, dann die Hand über den Rand streckte und etwas zu prüfen schien.
»Ist die Flüssigkeit noch heiß?«
»Ja.«
»Und er?«
»Schwimmt oben.«
»Haben wir ihn geschafft?«
»Ja. Der Brunnen hat es. Er schlägt zurück. Wie wir es uns vorgestellt haben.«
»Können wir ihn uns jetzt holen?«
»Sicher. Du kannst dich freuen, Sandra, denn du bist dieses Schwein endlich los, das dir nachgestellt hat.«
»Dieser geile Sack wollte mich sogar vergewaltigen. Jetzt hat er seine Strafe bekommen, und die Hölle wird sich über eine neue Seele freuen.«
»Dann hilf mir, ihn herauszuholen.«
»Gut.« Sandra trat an den Brunnen heran. Sie war eine recht große Blondine, die ihr Haar im Nacken zusammengebunden hatte. Auch sie trug diesen unförmigen Umhang, bei dem nicht alle Knöpfe geschlossen waren. »Hol ihn raus!«
Sandra freute sich darüber. Mit beiden Händen griff sie zu und zerrte eine nackte Gestalt in die Höhe, die sie mit dem Rücken auf den Rand legte. Es war ein glatzköpfiger Mann, der wahrscheinlich tot war.
Jedenfalls gab es bei ihm keine Gegenwehr.
Lucy half ihrer Freundin, den Glatzkopf auf den Boden zu legen.
»Wohin mit ihm?«, fragte Sandra.
»Wir legen ihn auf den Kompost.«
»Wie du willst.«
»Er stammt nicht hier aus dem Dorf. Ich bin gespannt, ob man ihn sucht. Und wenn sie ihn dann auf dem Müll finden, werden sie sich fragen, warum es ihn erwischt hat. Dann werden die Leute Angst bekommen und daran denken, dass sie selbst die Nächsten sein können.«
»Sehr gut hast du das gesagt.«
Die Hexen packten die nackte leblose Gestalt unter. Nicht weit entfernt stand ein kleiner Wagen mit zwei Gummirädern. Kinder spielten normalerweise mit ihm, doch jetzt wurde er zweckentfremdet, denn er diente zum Abtransport der Leiche.
Alles lief gut für die fünf Hexen. Sie zogen den Wagen, während im Osten der Himmel eine graue Farbe annahm und die Dunkelheit der Nacht vertrieb.
Justine Cavallo, die alles aus einer sicheren Deckung hervor beobachtet hatte, wartete noch eine gewisse Weile, bevor sie sich in Bewegung setzte.
Sie ging auf den Brunnen zu und hörte, dass er immer noch Geräusche abgab. Ein Blubbern und Schmatzen, als wäre der Inhalt dabei, in einem Ausguss zu verschwinden.
Sie schaute vorsichtig über den Rand hinweg und bekam große Augen.
Die Flüssigkeit, die diesen Kessel gefüllt hatte, war dabei, sich zurückzuziehen. Sie löste sich einfach auf, aber sie floss nicht durch einen Abfluss in die Tiefe.
Justine verstand die Welt nicht mehr. Es war alles völlig unnatürlich, und sie fragte sich, welche Kräfte hier am Werk waren.
Sie wusste nicht, was sich die fünf Hexen ausgedacht hatten. Wer an Hexen dachte, dessen Gedanken glitten automatisch zu einem anderen, sehr naheliegenden Begriff.
Der Teufel!
Er und die Hexen hatten seit alters her eine Einheit gebildet. Sie hatten sich gegenseitig unterstützt, und Justine war hier Zeugin dieser Verbindung geworden.
Sie wartete, bis mit den letzten Nebelfetzen die Flüssigkeit verschwunden war. Ein leerer Kessel blieb zurück - und ein Geruch, der sie anwiderte. So hatte auch das Blut der Hexe geschmeckt.
Der neue Tag klopfte bereits an, und sie vermutete, dass die Hexen bis zum Anbruch der Dunkelheit Ruhe geben würden.
So lange wollte sie nicht warten.
Justine gab zu, dass sie Schwierigkeiten bekommen würde, wenn sie sich allein gegen die Hexen stellte. Im Prinzip ging es sie nichts an, was die Hexen nun taten, aber sie dachte daran, dass sie überwältigt worden war und wahrscheinlich hier in diesem alten Kessel hatte landen sollen.
Das vergaß sie nicht.
Die Hexen waren ihre Feindinnen, und sie würden das Gleiche auch für John Sinclair sein.
So entschloss sie sich, den Geisterjäger bald anzurufen.
Aber etwas stand schon jetzt für sie fest: Die ganze Wahrheit würde sie
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