1515 - Die Balkan-Bestie
wer ihn gebissen hat. Das war kein normales Tier, sondern ein Werwolf.«
»Ja, ich weiß.«
»Und was ist mit dem Wolf im Flur, den wir dort gesehen haben?«, wollte ich wissen.
»Den habe ich erschossen«, sagte der Kollege. »Er wollte durch das offene Fenster und hätte es bestimmt auch geschafft, aber ich bin schneller gewesen.«
»Sehr gut. Aber zeigen Sie uns bitte erst mal die Zelle.«
»Gern, kommen Sie mit.«
Wir mussten wieder in den Flur, und an dessen Ende befand sich die Zelle für einen Gefangenen. Die Gittertür war nicht geschlossen. Ein schwaches Licht erhellte den Raum dahinter. Was wir dort sahen, darüber konnte man nur den Kopf schütteln.
Kahle Mauern, eine Holzpritsche und sonst nichts. Abgesehen von einem kleinen Fenster, das kaum den Namen Luke verdiente.
Suko und ich schleppten den Bewusstlosen in die Zelle und legten ihn auf der Pritsche ab.
Jonny Rogowski schloss ab. Dabei fragte er: »Was geschieht jetzt mit ihm?«
Ich hob die Schultern. »Es gibt uralte Regeln, und es ist möglich, dass sie auch bei ihm gelten. Es kann die Zeit kommen, da wird er sich in einen Werwolf verwandeln. Bevor es allerdings dazu kommt, müssen wir ihn erlösen.«
Rogowski begriff. »Meinen Sie töten?«
»Ja.«
»Das ist ja furchtbar!«
»Auf der einen Seite schon«, stimmte ich zu. »Aber denken Sie daran, was passieren kann, wenn er als Werwolf erwacht. Da wird er zu einer Gefahr für die Menschen.«
Der Kollege nickte. »Ja, das kann ich mir vorstellen.« Dann schüttelte er den Kopf und ging in sein Büro.
Wir blieben noch zurück und schauten durch das Gitter in die schwach erleuchtete Zelle. Wahrscheinlich hatten wir beide den gleichen Gedanken, nur Suko sprach ihn aus.
»Wie lange wird es wohl dauern, bis der Keim wirkt?«
»Keine Ahnung. Ich denke jedoch, dass er als schwer verletzter Mensch erwachen wird. Viel Blut hat er nicht verloren. Es ist so, als hätte der Biss die Blutung gestoppt.«
»Dann stelle ich mir dir Frage, wer ihn gebissen hat.«
»Die BalkanBestie.«
»Super. Und wer steckt dahinter? Oder glaubst du, dass diese Kreatur gar nicht gestorben und nach langer Zeit wieder aufgetaucht ist?«
»Ich habe keinen blassen Schimmer.«
»Dann geht es dir wie mir. Richten wir uns also auf eine neue BalkanBestie ein, die von unserer Freundin Morgana Layton geschaffen wurde. Etwas anderes kann ich mir momentan nicht vorstellen.«
»Dann senden wir wohl auf der gleichen Wellenlänge. Komm, lass uns weitermachen.«
»Wo und wie?«
»Erst mal in Rogowskis Büro. Vielleicht kann er uns noch einen Tipp geben.«
»Du meinst, weil er Manescu kennt?«
»Ja.« Ich deutete auf Sukos Schulter. Dort hing das Gewehr, das wir am Brunnen gefunden hatten. »Das wundert mich auch. Was hat Manescu mit der Waffe gewollt?«
»Sich verteidigen. Möglicherweise hat er mehr gewusst, als wir ahnen.«
Suko schüttelte den Kopf. »Er hätte wirklich nicht den Weg des Einzelgängers einschlagen sollen.«
»Ihm das zu sagen ist es jetzt zu spät…«
Der Kollege hatte es gut gemeint und einen starken Kaffee zubereitet. Er bot uns das Getränk an, das ich nicht ablehnte, ganz im Gegensatz zu Suko.
Der Kaffee schmeckte bitter. In diesen Momenten kam mir das Zeug gerade recht. Auch mich hatte ein bitteres Gefühl erfasst. Es war uns leider nicht gelungen, eine schreckliche Tat zu verhindern, und so etwas zerrte an meinen Nerven. Da lief jemand herum, der keine Gnade kannte und seine Opfer hinterlassen hatte. Ein Mann wie dieser Manescu hatte sich aufgemacht, um ihn zu stellen. Er hatte mutig sein wollen und war letztendlich gescheitert.
Ich wollte mehr über ihn wissen und fragte Jonny Rogowski: »Was wissen Sie über diesen Menschen?«
Der Kollege stellte seine Tasse ab. »Nicht viel. Klar, ich kenne ihn schon länger. Aber das hat nichts zu sagen, denn hier im Ort kennt jeder jeden.«
»Und weiter?«
»Nun ja, man kann ihn als einen Einzelgänger bezeichnen. Er ist immer seinen eigenen Weg gegangen. Er lebt allein, es gibt keine Familie mehr. Seine Frau ist ihm mit den Kindern weggelaufen, die Eltern sind tot und Geschwister hatte er keine. Einen festen Job übrigens auch nicht. Er hat sich mit Gelegenheitsarbeiten durchgeschlagen, aber er war auf der anderen Seite auch hilfsbereit und ein Naturtalent, was handwerkliche Arbeiten anging. So ist er dann oft als Helfer genommen worden, wenn es etwas zu reparieren gab. Da hat er etwas Geld verdient, und damit hat er sich über Wasser halten
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