1515 - Die Balkan-Bestie
saugte an ihrer Zigarre.
Ohne mich anzuschauen, sprach sie mich an.
»Es ist eine schlimme Nacht, das spüre ich in meinen Knochen. Und ich weiß, dass der Tod unterwegs ist. Ich kann ihn riechen, verstehen Sie? Ja, ich nehme ihn wahr.«
»Können Sie ihn uns beschreiben?«, fragte Suko, der ebenfalls gekommen war.
»Er hat viele Gesichter, aber hier ist er eine Bestie. Die BalkanBestie. Sie ist wieder da.«
»Aber doch nicht die von früher?«
»Nein, die wurde von mutigen Menschen vernichtet, wie man sich erzählt. Aber sie hat einen Nachfolger. Schauen Sie sich den Mond an. Hinter dem Dunst glotzt er auf uns nieder, und man soll seine Kräfte beileibe nicht unterschätzen. Er hat die Macht, Menschen zu verändern, zu verwandeln, und das hat er getan.«
»Wissen Sie denn mehr?«
Sie hob die Schultern.
»Was ist mit Ihrem Gast geschehen?«
»Er ging.«
»Und Sie haben an diesem Abend nichts gehört oder gesehen, was Ihnen ungewöhnlich vorkam?«
Sie antwortete ausweichend. »Was soll ich schon gehört haben? Ich bin eine alte Frau. Das Leben hat mich bereits abgeschrieben. Auf mich hört niemand mehr.«
»Aber Sie wissen viel«, sagte ich.
»Kann sein. Oder sagen wir so: Ich versuche, die Dinge in eine richtige Reihenfolge zu bringen.«
»Da sind wir ja schon einen Schritt weiter.«
»Und jetzt wollen Sie wissen, ob meine alten Ohren etwas gehört haben?«
»Das würde uns vielleicht helfen.«
»Ja, ich habe etwas gehört und auch gesehen. Gehört habe ich die Schreie. Sie klangen so dumpf, als sollten sie erstickt werden. Aber das hat dieser Mann nicht ganz geschafft. Er hat sich gequält. Es muss für ihn furchtbar gewesen sein. Selbst ich habe mich versteckt. Ich hänge noch an meinem Leben, aber ich war ihm wohl zu alt. Er ist in die Dunkelheit hineingelaufen.«
»Konnten Sie ihn sehen?«
»Nur schlecht mit meinen alten Augen. Aber er lief nicht mehr wie ein Mensch, das habe ich schon erkannt. Man hätte auch an einen großen Gorilla denken können.«
»Sonst noch etwas?«
»Nein, aber ich weiß, dass er gefährlich ist.«
»Und wer hat ihn dazu gemacht?«
Nach dieser Frage nahm sie erneut einen kräftigen Zug und sorgte dafür, dass die Spitze der Zigarre aufglühte, bevor sie sprach.
»Des Mannes Unglück ist das Weib, hat mal jemand gesagt. In diesem Fall trifft es zu. Der Mann von der Insel hat Besuch von einer Frau bekommen, und ich - nun ja - ich mochte sie nicht. Ich habe sie als eine falsche Schönheit erkannt. Als eine Frau, die meinem Gast nicht gut getan hat. Aber was sollte ich machen? Er war fasziniert und ging an drei Abenden mit ihr fort.«
»Verstehe«, sagte ich. Um völlig sicher zu sein, beschrieb ich ihr Morgana Layton und musste nicht erst zu Ende sprechen, die alte Frau nickte bereits vorher.
»Ja, das war sie.«
»Wissen Sie mehr über sie?«.
»Nein. Sie stammt auch nicht von hier. Sie ist plötzlich aufgetaucht, und ich weiß auch nicht, ob die Menschen hier im Ort sie gesehen haben. Das interessiert mich auch nicht.«
»Ja, das glauben wir Ihnen.«
Wir hatten den Fall zwar gelöst, aber wir wussten noch immer nicht, wo sich Morgana Layton und Graham Ford aufhielten. Wenn man auf der Suche ist, kann jedes noch so kleine Dorf sehr groß werden, und Craia konnte auf keinen Fall als kleines Dorf abgetan werden.
Die alte Frau winkte mir zu. »Bitte, tun Sie den Menschen hier einen Gefallen. Suchen Sie die Bestie und vernichten Sie sie. Auch die Frau. Ich habe gespürt, dass sie gefährlich ist.«
»Danke, wir werden unser Bestes tun.«
»Diese Nacht darf nicht dem Teufel gehören«, flüsterte sie zum Abschied. »Auf keinen Fall…«
»Wir versprechen es«, sagte Suko und ging zu seiner Maschine.
Keiner von uns war von einer großen Freude darüber erfüllt, dass wir wussten, wer die BalkanBestie war. Zumindest mir lag ein Klumpen im Magen, und Suko erging es sicherlich nicht anders.
»Morgana hat ihn zum Werwolf gemacht, und sie hat sich dabei keinen schlechten Partner ausgesucht. Er wird sich alle vier Wochen verwandeln, und er wird, wenn seine Arbeit hier beendet ist, wieder auf die Insel zurückkehren. Der Keim ist gelegt. Jetzt muss die verdammte Saat nur noch aufgehen.«
Ich beschäftigte mich nicht mit diesen Gedanken. Für mich zählte nur noch eine einzige Frage.
»Wo kann er stecken? Oder beide?«
»Willst du von mir eine Antwort hören, John?«
»Wäre mir schon recht.«
»Ich weiß keine.«
»Aber wir müssen was tun.« Allmählich stieg
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