1516 - Chaos im Humanidrom
Bisher hatte Idinyphe nur wenig Gelegenheit gehabt, die Gestik der nichtakustischen Sprache zu verwenden. Jetzt jedoch schüttelte sie sich, womit sie ihren Unwillen zum Ausdruck brachte. „Du weichst mir aus", beklagte sie sich. „Ich fragte dich, ob es unter den Nakken bezüglich der Suche nach der Superintelligenz Meinungsverschiedenheiten gegeben hat."
„Ich wüßte nicht ..." begann er.
Sie fiel ihm ins Wort. Das war, nach nakkischer Etikette, absolut ungehörig. Sie tat es mit Absicht. Es ging ihr darum, Willom aus dem Gleichgewicht zu bringen. „Warum ist Ayshupon von Heleios geflohen, als Varonzem dort eintraf?" fragte sie. „Das mußt du Ayshupon fragen", lautete seine Antwort, die ihr hilflos erschien. „Warum bestanden Varonzem und Emzafor darauf, nach Akkartil gebracht zu werden? Was für internen Schwierigkeiten waren es, die es da zu beseitigen gab?"
„Du bist eine gelehrige Schülerin", sagte Willom. „Aber eines scheinst du noch nicht begriffen zu haben. Es ist schädlich, sich in Dinge einzumischen, die einen nichts angehen."
„Sie gehen mich etwas an", beharrte Idinyphe. „Die Suche nach dem Überwesen ES ist nicht allein eine Angelegenheit der Nakken. Alle Völker dieser Milchstraße sind daran interessiert, ES zu finden.
ES ist verwirrt, in einem fürchterlichen Irrtum befangen, der letzten Endes unsägliches Unheil über die Zivilisationen der Milchstraße und der benachbarten Galaxien bringen wird. Ich habe ein Recht, alles zu erfahren, was mit der Suche nach der Superintelligenz zusammenhängt."
„Ich kann dir nicht helfen", antwortete Willom.
Jetzt bediente er sich, von ein paar hastig herausgestoßenen Banallauten abgesehen, der lautlosen Sprache. Das - war ein Zeichen, daß er sich im Zustand fortgeschrittener Erregung befand. Idinyphe holte zum entscheidenden Schlag aus. „Dann sag mir wenigstens dies eine", bat sie: „Warum hat Ayshupon im Schwarzen Loch Amagorta seinen Artgenossen Ermancluq getötet?"
Sie hatte das letzte Wort kaum ausgesprochen und mit einer beredten Geste der rechten Hand begleitet, da wußte sie, daß sie zu weit gegangen war. Willom schwebte an der Wand im Hintergrund des Raumes entlang - nicht gemächlich, wie er es üblicherweise tat, sondern mit bemerkenswerter Eile. In der Wand tat sich ein Spalt auf, und eine halbe Sekunde später war Willom verschwunden.
Idinyphe eilte auf den Spalt zu, der sich jedoch schloß, bevor sie ihn erreichen konnte. Ihre Bemühungen, die Öffnung in der Wand wiederherzustellen waren erfolglos. Enttäuscht wandte sie sich ab. Sie gestand sich ein, daß sie ihr Vorhaben mit zuviel Eifer betrieben hatte. Man durfte einem Nakken nicht auf diese Weise zusetzen.
Aber dann kam ihr ein Gedanke. So viel verstand sie doch schon von der nakkischen Mentalität, daß sie zu wissen glaubte, wohin Willom gegangen war. Es gab andere Wege dorthin; sie war auf den Spalt in der Wand nicht angewiesen.
Sie verließ den Raum durch die Tür, durch die sie gekommen war. Ein paar Dutzend Meter den Gang entlang fand sie einen Antigravschacht, der schräg in die Tiefe führte. Dorthinein schwang sie sich.
Während sie nach unten sank, dachte sie darüber nach, daß Willoms Verhalten - aus menschlicher Sicht betrachtet - eher der Reaktion eines Kindes glich, das bei einer Übeltat ertappt worden war.
Der Gedanke amüsierte sie.
*
Die Pararealität, in die Sato Ambush sich mit Hilfe seines durch die Meditation gestärkten Ki versetzte, war nur einen Quantensprung von der gewohnten Wirklichkeit entfernt. Er fand die Umgebung so vor, wie er sie in Erinnerung hatte. Es würde ihm nicht schwerfallen, sich zu orientieren. Er mußte nur darauf achten, daß er, sobald er einen Erfolg erzielt hatte, auf dem raschesten Weg wieder in die Stammrealität zurückkehrte, damit niemand seine Spur verfolgen konnte.
Er verließ seine Unterkunft und schritt den Korridor entlang, der vor seiner Tür vorbeiführte. Am Ende des Ganges lagen die Einstiege zu zwei Antigravschächten, von denen der eine aufwärts, der andere abwärts gepolt war. Sato Ambush wollte in die Höhe. Dort würde er Nakken finden. In dieser Pararealität, die nicht die Stammwirklichkeit war, wollte er einem von ihnen die Geräte abnehmen, die ihn zur Schaffung von Raumzeitverfaltungen befähigten.
Er war dabei, sich in den nach oben führenden Schacht zu schwingen, da sah er im abwärts gepolten Antigrav eine humanoide Gestalt vorbeischweben. Verwundert sah er ihr nach und
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