1517 - Die Mondhexe
der Blick für die Wirklichkeit abhanden, und er stellte sich flüsternd die Frage, ob er nicht doch träumte.
Seine Frau sagte nichts. Sie konnte den Blick einfach nicht von der Nackten abwenden, wobei sie sich die Frage stellte, wer diese Person war.
Seltsamerweise verspürte sie keine Angst. Die Besucherin hatte ein Lächeln für sie, sodass sie sicher war, keine Feindin vor sich zu haben, eherjemanden, der sich auf ihre Seite stellen wollte.
Archie wich zurück. Dabei schüttelte er den Kopf. Bei ihm ein Beweis, dass ihm die neue Lage mehr als suspekt war. Dabei war diese Fremde verdammt hübsch.
»He, was soll das?«
Die Unbekannte gab die Antwort auf ihre Art. Mit dem nächsten Schritt stand sie bereits im Wohnraum, in dem jetzt tiefes Schweigen herrschte.
Selbst Archie Clavell sagte kein Wort. Er hielt sich mit beiden Händen an seinen Hosenträgern fest und ahnte, dass etwas auf ihn zugekommen war, das ihn bedrohte und dessen er nicht Herr werden konnte.
Die Fremde sagte nichts. Sie stand auf der Stelle und schaute nur. Aber ihre Augen bewegten sich dabei, und der eigenartige Ausdruck darin, mehr ein Licht, war nicht zu übersehen.
Archie musste zweimal Luft holen, bevor er eine Frage stellen konnte.
»Kennst du sie?«, krächzte er.
Ann stöhnte nur auf. »Okay.« Archie hatte seinen ersten Schreck überwunden. Eine fast nackte Frau in seiner Wohnung, das war doch was, und darauf zielte auch seine Bemerkung hin.
»Die scheint verdammt scharf zu sein. Irgendwo muss es jemanden geben, der mich erhört hat.«
Ann saß auch weiterhin nackt auf der Couch. Dass sie nichts am Leib trug, war ihr egal. Es gab für sie auch keinen Grund, sich vor der Frau zu fürchten. Im Gegenteil, die Gegenwart der Person löste bei ihr ein tiefes Gefühl des Vertrauens und sogar Wohlseins aus.
Archie war noch nicht befriedigt. Er fragte nicht, woher diese fremde Frau so plötzlich gekommen war. Für ihn war wichtig, wie sie aussah, und das war schon Masse. Sie war bis auf das Tuch um die Hüften wirklich nackt, und den Fetzen würde Archie ihr auch noch vom Leib reißen.
Er wandte sich an seine Frau und lachte zunächst.
»He, Ann, das ist einsame Spitze. Du, sie und ich. Ich werde sie fragen, ob sie den Spaß mitmacht.«
Ann Clavell wusste nicht, ob sie ihren Mann in diesem Moment hasste oder nicht. Sie liebte ihn auf keinen Fall mehr. Sie kannte seine sexuellen Vorstellungen, und sie kannte seine Gewaltausbrüche.
Aber es gab für sie Grenzen. So wollte sie nicht, dass er mit offenen Augen in sein Verderben lief, denn sie wusste, wozu die Besucherin möglicherweise fähig war.
»Bitte, Archie, sei vorsichtig. Unterschätze sie nicht. Es ist nicht so, wie du denkst.«
Clavell kicherte und schüttelte den Kopf. Er war einfach nicht zu halten in seiner Gier. Diese Person vor ihm und dazu noch seine Frau, das stachelte ihn ungeheuer an.
»Halt deinen Mund, Ann. Warum ist sie denn gekommen? Wer traut sich schon nackt zu uns?«
»Bitte, ich könnte es dir erklären…« Sie schluchzte auf und flüsterte ein »Vielleicht« hinterher.
»Du brauchst mir nichts zu erklären, Ann. Danke, dass du für diese Überraschung gesorgt hast. Ich habe gar nicht gewusst, dass du so auf meiner Seite stehst.«
»Das hat damit nichts zu tun.« Er winkte wütend ab. »Ach, hör auf.«
»Bitte, Archie…«
Der Mann ließ sich nicht in sein Vorhaben reinreden. Er wollte das durchziehen, was er sich schon immer erträumt hatte. Zwei so gut wie nackte Frauen in seinem Zimmer. Das war einfach die Schau und die Erfüllung seiner wildesten Träume.
»Luna ist gefährlich!« Ann Clavell hatte einen letzten Versuch gestartet.
Sie wollte, dass ihr Mann endlich vernünftig wurde, aber Archie war von seiner Idee einfach zu besessen.
Er zuckte aber zusammen und dachte über den zuletzt gehörten Satz nach.
»Was sagst du da? Kennst du sie vielleicht?«
»Ja, ich kenne sie.«
Er grinste breit. »He, wo treibst du dich denn herum?«
»Lass sie bitte in Ruhe!«
Archie schüttelte den Kopf. »Ich glaube, ich habe dich unterschätzt. Du willst es also auch. Du hast es nur nicht gesagt. Aber jetzt gibt es kein Zurück mehr.«
Genau das demonstrierte er. Archie hatte lange genug geredet. Jetzt war die Zeit zum Handeln gekommen.
Er musste nur einen Schritt nach vorn gehen, um die Fremde anfassen zu können.
Das tat er gern.
Er hob den Arm an, griff nach ihrer rechten Hand und wollte die Fremde zu sich heranziehen.
Eine Sekunde später
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