1519 - Das Leichenbild
ich.
»Es war nicht gut.« Er trank wieder einen Schluck.
Ich erinnerte mich an einen bestimmten Satz aus seinem Mund. Die Worte hatte ich behalten und versuchte jetzt, sie wieder ins Spiel zu bringen. »Sie haben versucht, den Teufel abzuwehren, wenn ich Sie vorhin richtig verstanden habe?«
Er warf mir einen längeren Blick zu. »Ja, Mr Sinclair, das habe ich. Oder wir.«
»Und wie?«
»Das ist im Nachhinein eine böse Geschichte.«
»Hat sie mit Amy zu tun?«, flüsterte Ebby Jackson.
»Ja, das hat sie.«
Ich sah, dass Jackson einen roten Kopf bekam. Er machte mir auch nicht den Eindruck eines Menschen, der ruhig auf seinem Stuhl sitzen bleiben wollte. Er wirkte wie auf dem Sprung, und ich legte ihm beruhigend eine Hand auf die Schulter. »Lassen Sie den Pfarrer reden, Ebby.«
»Gut, ich höre.«
Kevin Archer nickte. »Wer hier wohnt und sich als gläubig bezeichnet, der ist noch fest in den alten Traditionen verwurzelt. Der glaubt nicht nur an Gott, der glaubt auch an den Teufel. Und wir sind nicht die Einzigen. Sie können sich umhören. Der Teufel tritt immer mehr in den Vordergrund. Eine Folge davon ist der Exorzismus. Ich kann Ihnen versichern, dass es in der letzten Zeit wieder mehr Teufelsaustreibungen gegeben hat.«
»Sind Sie ein Exorzist?«, wollte ich wissen.
»Nein, kein ausgebildeter. Ich habe mich nur dafür interessiert. Ich bin davon überzeugt, dass es den Teufel gibt, dass er die Menschen nicht in Ruhe lässt. Und ich habe dafür auch den Beweis bekommen, denn er hatte sich in Amy Shannon eingenistet.«
»Das hat sie Ihnen gesagt?«
»Ja, Mr Sinclair. Amy hat keinen Hehl daraus gemacht. Sie war auch nach ihrer Heirat noch des Öfteren hier. Zu Anfang hatte sie sich nicht verändert, da war sie wie immer, aber später…«
»Da ist sie unter einen fremden Einfluss geraten«, flüsterte Ebby Jackson. »Ich habe es ja aus allernächster Nähe mitbekommen, und das war alles andere als ein Vergnügen. Es ging sogar so weit, dass sie mich töten wollte. Zum Glück konnte ich mich wehren. So kam es dann zu dem Unfall. Aber mir hat man einen Mord angehängt.«
Ich wollte nicht, dass unser Gespräch in eine falsche Richtung geriet, und sagte: »Was ist denn hier geschehen, als die Leiche überführt wurde, Mr Archer?«
»Wir haben sie begraben«, erwiderte der Geistliche mit einer etwas kratzigen Stimme.
»Sonst nichts?« Ich war und blieb misstrauisch.
»Nun ja…« Archer griff wieder zum Glas, um einen Schluck zu trinken.
»Bitte, Sie müssen jetzt offen sein«, sagte ich. »Ich will die Wahrheit hören. Nur sie kann uns weiterhelfen.«
»Das ist mir klar.« Archer räusperte sich. »Ich habe Ihnen vom Teufel berichtet. Ich wollte ihn abwehren. Ich wollte, dass er uns hier in Blackwater in Ruhe lässt. Und deshalb haben wir die tote Amy Jackson dem Teufel geweiht.«
Ebby stöhnte auf und fragte mit leiser Stimme: »Was haben Sie getan?«
»Haben Sie es nicht gehört?«
»Schon, aber…«
»Lassen Sie mich, Ebby«, sagte ich und wandte mich wieder an den Pfarrer. »Sie haben keinen Exorzismus an Amy durchgeführt - oder?«
»Was denken Sie? Doch nicht an einer Toten. Nein, nein, sie hat eben nur ein besonderes Begräbnis erhalten. Wir haben sie nackt in den Sarg gelegt, und ich habe ihren Körper mit Symbolen der schwarzen Magie bemalt. Ich habe so etwas in einem Buch gefunden. So habe ich die Leiche praktisch für den Teufel präpariert und hoffte, dass die Hölle sie auch als Opfer angenommen hat.«
»Und warum haben Sie das getan?«, flüsterte Jackson. »Verdammt, Sie haben sich versündigt!«
»Das sahen wir nicht so. Außerdem sollten Sie sich nicht aufregen, denn Ihnen war Amy schon längst entglitten, wie Sie immer behauptet haben. Sie wollte ihren eigenen Weg gehen, das wissen Sie, und das wissen auch wir.«
»Und dann gab es noch das Bild auf ihrem Grab?«
»So ist das, Mr Sinclair. Es ist bei uns Tradition, dass wir die Gesichter der Toten als Erinnerung aufstellen. Natürlich sind es Fotos von Lebenden, und so haben wir es auch bei Amy gehalten. Ihre Eltern suchten das Foto für das Grab aus, das jedoch kein Kreuz schmückte, sondern ein Grabstein.«
»Verstehe«, sagte ich. »Man durfte ja nicht aus der Reihe tanzen.«
»Aber jetzt ist das Foto weg!«, sagte Jackson. Er stemmte seine Handballen gegen die Tischkante und starrte den Pfarrer an. »Und wissen Sie, wer es bekommen hat?«
»Nein.«
»Ich habe es bekommen!«
Kevin Archer zuckte zurück und
Weitere Kostenlose Bücher