1519 - Das Leichenbild
hatte sie sich nicht, zumindest nicht, was ihr Aussehen anging.
Und trotzdem gab es einen gravierenden Unterschied zu vorhin. In der rechten Hand hielt sie eine Pistole, deren Mündung auf Ebby Jackson zeigte…
Es war ein Bild, das Ebby Jackson eigentlich nicht glauben konnte. So etwas wie ein eisiger Schauer rieselte über seinen Rücken. Es war unglaublich. Er hatte noch nie eine Waffe in der Hand seiner Frau gesehen, und jetzt sah sie sogar aus, als könnte sie damit umgehen.
Er sagte nichts. Die Überraschung hatte ihm die Sprache verschlagen.
Das war ein schlechtes Schauspiel, was er hier erlebte, und er konnte kaum glauben, dass es der Wahrheit entsprach.
Dennoch hatte er das Gefühl, dass die Waffe zu seiner Frau passte. Ein verrückter Gedanke, aber er setzte sich in seinem Kopf fest.
Das war nicht mehr die Amy, die er damals geheiratet hatte. Sie war zwar noch seine Frau und auch ein Mensch, doch sie hatte eine Veränderung durchgemacht, die er nicht nachvollziehen konnte.
Der Ausdruck in ihrem Gesicht war starr, nur in den Augen stand der Wille, einen bestimmten Vorsatz bis zu seinem Ende durchzuziehen, und dabei stand er im Mittelpunkt.
Trotzdem konnte Ebby es nicht glauben. Er verlor seine Starre und hob die Schultern an. Sogar die Härte in seinem Gesicht löste sich auf. Er zwang sich zu einem Lächeln und deutete ein Kopfschütteln an.
»Das kann nicht wahr sein, Amy. Du mit einer Waffe?«
»Wie du siehst.«
»Und was willst du damit?«
Amy Jackson kicherte. »Muss ich dir das tatsächlich noch sagen? Ich denke nicht. Es ist doch ziemlich eindeutig, was du hier siehst.«
»Du willst schießen. Du - du…« Er brachte die folgenden Worte nur mühsam hervor. »Du willst mich töten?«
»Genau, Ebby.«
»Aber das kann nicht sein. Daran will ich nicht glauben. Das ist doch grauenhaft.«
»Was grauenhaft ist, das musst du mir überlassen, Ebby. All die letzten Jahre sind für mich grauenhaft gewesen. Ich habe gelitten, und ich habe dann, als das Leiden zu stark wurde, einen anderen Weg eingeschlagen, verstehst du?«
»Ich sehe es, aber ich verstehe es nicht. Wir haben uns doch immer gut verstanden und…«
»Das hast du gedacht. Aber es gibt auch andere Wege, die man gehen kann, um einer verfluchten Tristesse zu entfliehen. Genau diesen Weg bin ich gegangen, und ich kann dir sagen, dass es mich nicht reut. Es war einfach wunderbar.«
»Und jetzt?«
Vor ihrer Antwort schickte sie ihm ein leises Lachen entgegen. »Und jetzt bist du der einzige Störfaktor.«
Jackson schwieg. Er wusste verdammt genau, was seine Frau damit gemeint hatte. Er ärgerte sich darüber, dass er plötzlich so schwitzte, doch er konnte nichts dagegen machen. Das war einfach so, und er presste hart die Lippen zusammen.
Glauben wollte er es nicht, und deshalb verließ er seinen Platz und ging auf Amy zu, die das sehr wohl bemerkte, aber nichts tat und wartete, wie weit ihr Mann wohl gehen würde.
»Bleib stehen, Ebby!«
»Nein!«
Ihre Stimme nahm einen drohenden Klang an, als sie sagte: »Du sollst stehen bleiben, verdammt!«
»Das werde ich nicht, Amy! Ich gehe so weit, wie ich will, hast du verstanden?«
»Ja, ich habe es gehört. Du willst also, dass ich dir eine Kugel in den Kopf jage.«
»Das traust du dir nicht!«
Über diese Antwort konnte Amy nur Lachen. Und genau das tat ihrem Mann weh. Von der eigenen Frau ausgelacht zu werden war mehr als schlimm für ihn. Er rollte mit den Augen, er sah plötzlich einen Schleier auf sich zuwallen und nahm alles nicht mehr so wahr, wie es der Wirklichkeit entsprach.
Dann schrie er auf und sprang nach vorn!
Es war eine Geste der Verzweiflung. Er prallte gegen seine Frau, die mit dieser Aktion nicht gerechnet hatte und voller Wut aufschrie. Sie konnte nicht vermeiden, dass sie nach hinten gestoßen wurde und mit dem Rücken gegen die Wand neben der Tür prallte. Sie wollte den rechten Arm mit der Waffe hochreißen, was ihr jedoch nicht gelang, denn Ebby hatte es durch eine glückliche Fügung geschafft, ihr Handgelenk zu umklammern. Und er ließ es nicht mehr los.
Aus Liebe war Hass geworden. Zumindest bei einer Person. Aber beide kämpften: Die eine wollte töten, der andere wollte überleben und setzte seine ganze Kraft dafür ein.
Das war auch für Ebby Jackson neu. Doch er wusste, um was es ging.
Und er kämpfte wie noch nie in seinem Leben. Genau das verlieh ihm gewaltige Kräfte.
Er keuchte. Er sprühte Speichel in das Gesicht seiner Frau. Seine Augen
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