152 - Die Tochter des Magiers
den letzten Tropfen«, sagte ich.
Ich sah Tränen auf Lominas Wangen glitzern. »Immer wenn ich an meinen armen alten Vater denke, muß ich weinen«, sagte sie.
»Er befindet sich bei Sabra in Sicherheit.«
»Aber er ißt nicht. Er wird an Entkräftung sterben.«
»Du wirst bald bei ihm sein«, sagte ich zuversichtlich. »Dann wird er essen und wieder zu Kräften kommen.«
Lomina seufzte tief. »Ich kann es kaum glauben.«
Draußen ertönten schärfe Befehle. »Das ist Benrii«, sagte Lomina. »Viele sagen, er wäre Ronsidors rechte Hand. Man gehorcht ihm, weil man Angst vor Ronsidor hat. Gäbe es Ronsidor nicht, würde wohl keiner tun, was Benrii sagt.«
Ich hörte, was Benrii rief. Er befahl, alles für die Zeremonie vorzubereiten. Was das bedeutete, wußten wir leider nur zu gut.
Lomina preßte die Lippen zusammen und schluchzte leise. »Deine Freunde werden zu spät kommen, Tony.«
»Wart’s doch ab«, gab ich zurück. »Die Barbaren haben mit den Vorbereitungen doch noch nicht einmal begonnen.«
***
Mr. Silver hob den Kopf und richtete seinen Blick in die Ferne, dorthin, wo Thermae an das Binnenmeer grenzte. »Der Silbermond geht auf«, sagte er unruhig.
Ein großer Silberbogen hatte sich am Horizont hochgeschoben. Mr. Silver kannte diese Erscheinung, schließlich war die Silberwelt einst seine Heimat gewesen.
Der Ex-Dämon saß auf einem großen Vogel, der wie ein Strauß aussah, aber Hufe hatte, und im Schnabel des Tiers befanden sich Zähne, was bewies, daß es sich um einen Fleischfresser handelte.
»Wir müssen uns beeilen«, sagte Mr. Silver.
Sie ließen die Grenze von Thermae hinter sich, sahen die Spuren des blutigen Kampfes wieder, den Ronsidor verloren hatte.
Mr. Silver schaute nach oben. Über ganz Thermae wölbte sieb die saugende Glocke, die Ronsidor geschaffen hatte, um Sabras Zauberkraft zu übernehmen.
Wenn es Sabra nicht gelang, die schwefelgelbe Kuppel zu zerstören, würde Rondisor letzten Endes doch noch siegen und Thermae zerstören.
Der Ex-Dämon und seine Begleiter wußten genau, wo sich Ronsidors Zeltstadt befand. Dorthin mußten sie, aber sie durften nicht zu nahe heranreiten. Weit genug vom Lager der Barbarenhorde entfernt mußten sie die Reitvögel zurücklassen und zu Fuß weitergehen.
Roxane warf einen unruhigen Blick auf den aufgehenden Mond. Die große Silberscheibe stieg viel zu schnell hoch. Roxanes Gedanken stahlen sich zu Lomina und Tony Ballard.
Tony rechnete bestimmt mit ihrer Hilfe. Hoffentlich enttäuschen wir ihn nicht, dachte die weiße Hexe. Sie hätte diese Expedition schon gern hinter sich gehabt. Irgendwie konnte sie sich des Eindrucks nicht erwehren, daß das Unternehmen unter keinem guten Stern stand. Nichts war bisher glattgegangen. Immer war die Sache anders verlaufen als vorhergesehen - von Anfang an.
Auch jetzt konnte eine ganze Menge schiefgehen.
Mr. Silver hob die Hand, und alle hielten ihre Reitvögel an.
»Weiter dürfen wir nicht reiten«, sagte der Ex-Dämon und sprang ab.
Die Tiere legten sich auf den Boden. Wenn Mr. Silver und die anderen zurückkamen, würden sie noch hier liegen.
***
Der Inselkontinent hieß Haspiran und war der Hölle vorgelagert. Hier lebte all das unbequeme Gesindel, das Asmodis in seinem Reich nicht duldete -aufsässige Teufel, abtrünnige Dämonen, Banditen, Wegelagerer, Rebellen. Und Professor Mortimer Kull lebte zur Zeit auch auf Haspiran, aber er würde sich nicht mehr lange hier aufhalten.
Der dämonische Wissenschaftler hatte große, gefährliche Pläne. Er wollte Asmodis stürzen und sich auf den Höllenthron setzen. Kull, der Herrscher der Hölle, dieser Titel hätte ihm gefallen.
Natürlich konnte er so ein gewaltiges Ziel nicht allein erreichen, deshalb brauchte er Verbündete. Er hoffte, in Gupp, dem roten Rebellenteufel, einen solchen Verbündeten zu finden.
Von Corona, der schönen Rebellin, hatte er erfahren, daß Gupp in Begriff war, eine Armee auf die Beine zu stellen. Mit dieser wollte er dann in die Hölle ziehen.
Kull wollte sich ihm anschließen, aber nur dann, wenn Gupp seine Bedingungen akzeptierte.
Yora, Mortimer Kulls Geliebte, hatte alles versucht, um ihn von diesem wahnwitzigen Unternehmen, das ihrer Ansicht nach niemals gelingen konnte, abzubringen.
Vergeblich. Kull war mit Corona aufgebrochen, um sich zu Gupp zu begeben. Yora sah nur noch eine Möglichkeit, das Schlimmste für Mortimer Kull zu verhindern: Sie mußte herausfinden, wo sich der Sohn des Professors, Morron
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