1526 - Mirandas Schutzengel
allem, was ihr zur Verfügung stand, versuchen, die Scharte wieder auszuwetzen.
Ans Verlieren hatte sich die Mafia noch nie gewöhnen können, und das würde auch so bleiben.
Es war alles normal. Sie ging durch ihr Reich, sie nickte bekannten Gästen zu und hatte trotzdem den Eindruck, mehr über den Boden zu schweben, weil ihre Knie so zitterten.
Sie wollte die Besucher an der Theke erwarten. Von dort hatte sie den besten Überblick und auch die Tür im Auge.
Wenn eben möglich, wollte sie ihren Onkel nicht einweihen. Er war zudem jemand, der einen Blick für Menschen hatte, und würde schon beim Eintreten der neuen Gäste erkennen, wer da kam.
Miranda wusste nicht, ob sie zu zweit erscheinen würden, als Trio oder sogar als Quartett. Sie rechnete nach den Vorfällen auf dem Parkplatz jedoch damit, dass sie Verstärkung mitbrachten, und darauf stellte sich Miranda innerlich ein.
Zum Glück war sie Chefin geworden. So konnte sie sich eine längere Auszeit gönnen. Das Lokal war nicht überfüllt, die drei Servicemitarbeiter schafften es auch ohne ihre Hilfe, und ihr Onkel saß mit Stammgästen zusammen an einem Tisch.
Neben der Theke gab es einen Durchgang, der zu den hinteren Bereichen des Restaurants führte. Noch immer hing der altmodische Perlenvorhand davor, den ihre Mutter so sehr geliebt hatte. Deshalb war er auch noch nicht abgenommen worden.
Jetzt war sie froh, dass es ihn gab. Sie huschte hindurch, hörte das leise Klickern und verschwand im Dämmerlicht dahinter. Dann blieb sie so nahe am Vorhang stehen, dass sie durch ihn hindurch bis zu Tür schauen konnte und somit den besten Überblick hatte.
»Meine Tochter muss keine Furcht haben. Nicht, solange ich meine schützenden Hände über sie halte und den Schutzengeln Bescheid gegeben habe, über sie zu wachen.«
Miranda schrak zusammen, als sie die Stimme in ihrem Kopf hörte. Im Nacken stellten sich die Härchen hoch und über ihren Körper rann ein Schauer.
Das war die Stimme ihrer verstorbenen Mutter gewesen, die da zu ihr gesprochen und ihr Mut gemacht hatte!
Miranda schloss die Augen. Sie musste sich jetzt zusammenreißen und ruhig, nur ruhig bleiben. Etwas anderes konnte sie nicht tun. Hier hatte sie nicht mehr das Sagen, sondern der Geist einer Verstorbenen.
Bisher war das Blut normal durch ihre Adern gelaufen, jetzt aber wurde es Miranda plötzlich kalt, und diese Kälte spürte sie bis in die Fingerspitzen hinein. Sie hielt den Mund offen und atmete nur vorsichtig ein und aus.
»Deine Zukunft ist gesichert, mein Kind. Denk immer an die Schutzengel, die in deiner Nähe sind.«
Miranda schloss wieder die Augen. Sie wusste nicht, was sie noch sagen sollte. Sie war auch nicht in der Lage, sich zu bewegen, denn so etwas hatte sie noch nie erlebt. Es war auch nicht rational zu erklären. Hier hatte sich eine Welt geöffnet, die sie nicht begriff. Die es zwar gab, aber in der offenbar alles anders war als in der Welt, in der sie lebte.
Deshalb sagte sie nichts. Es hatte für sie auch keinen Sinn, eine Antwort zu geben. Ihr blieb nichts anderes übrig, als stehen zu bleiben und alles auf sich zukommen zu lassen.
War die Verbindung zum Geist ihrer Mutter noch vorhanden?
Sie lauschte nach innen, aber sie hörte nichts mehr. In ihrem Kopf blieb es still.
Minuten waren vergangen, da erlebte sie einen erneuten Kontakt.
»Ich weiß, dass diejenigen näher kommen, die dir Böses wollen, aber sei ganz ruhig. Dir kann nichts passieren, denn du stehst nicht nur unter meinem Schutz.«
»Ja, ja, das weiß ich. Wirst du mir wieder die Schutzengel schicken, Mama?«
»Ah, du meinst meine besonderen Freunde. Ja, es sind Schutzengel, auch wenn sie etwas anders aussehen als diejenigen, die sich die Menschen vorstellen.«
»Sie sind grässlich, Mama.«
»Ich habe auch nicht von Heiligen gesprochen, meine Tochter. Oder nicht von Heiligen, die du kennst und von denen du gehört hast. Diese Schutzengel nenne ich die Unheiligen, wenn du verstehst! Sie schützen sonst etwas ganz anderes, und es ist schwer, mit ihnen Kontakt aufzunehmen. Aber ich habe es geschafft. Ich habe mich mit den dunklen Gefilden beschäftigt und bin den richtigen Weg gegangen. Und genau dieses Erbe habe ich auf dich Überträgen. Du sollst es weiterführen, genau in meinem Sinne.«
»Wenn ich es kann?«
»Ja, das wirst du…«
Überzeugt war Miranda nicht, und das musste sie auch nicht mehr sein, denn etwas anderes passierte.
Die Eingangstür wurde schwungvoll
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