1526 - Mirandas Schutzengel
eine große Freude, denn ihr Gesicht verlor alle Farbe, und sie fing zudem leicht an zu zittern.
Das alarmierte uns. Ihre Antworten blieben knapp, bis sie schließlich einen Satz sagte.
»Ich werde kommen.« Damit war das Gespräch beendet. Sie klappte das Handy zusammen und steckte es weg.
»Das waren keine guten Nachrichten - oder?«, fragte ich sie.
»Woher wollen Sie das wissen?«
»Es war Ihnen anzusehen, Miranda.«
»Pah, was wissen Sie schon?«
»Wer war es?«
»Das geht Sie nichts an.«
»Wenn es sich dabei um eine Gefahr handelt, in die sie sich begeben wollen, schon.«
Ich hatte sehr eindringlich gesprochen. Meine Worte hatten sie nachdenklich gemacht. Dann hob sie die Schultern und meinte: »Kann sein, dass es besser ist, wenn ich mit Ihnen darüber rede. Jemand hat mir seinen Besuch angekündigt.«
»Und wer, bitte?«
»Ich habe keine Ahnung, denn mir wurde kein Name genannt.«
»Was dann?«
»Man hat mir nur einen Besuch angekündigt.« Sie senkte den Blick. »Ich würde selbst entscheiden können, wie er ausfällt. Ich muss mich dabei nur an die Regeln halten.«
»Die lauten?«
»Das wissen Sie doch selbst, Suko. Ich soll das tun, was man von mir verlangt. Man riet mir, in die Fußstapfen meiner verstorbenen Mutter zu treten.«
»Das heißt, Sie sollen zahlen.«
»Ja, so ist es.«
»Wie viel?«
»Es wurden keine Summen genannt.«
»Wann tauchen die Leute hier auf?«
»Sehr bald schon.«
»Sind es welche aus dem Romazzino-Clan?«, fragte Suko.
»Das weiß ich nicht, Inspektor. Es ist mir alles so fremd, und ich muss mich auch erst auf die neue Lage einstellen. Ich bin jetzt an die Stelle meiner Mutter getreten. Sie wollen mit mir sprechen, es ist die letzte Chance, die sie mir geben. Sie werden herkommen, um an der Quelle mit mir zu sprechen. Und sie haben mir geraten, dass es zu einer Einigung kommen muss, sonst würde dieser Abend zu einem Drama werden.«
»Gewalt also?«
»Ja«, sagte sie leise.
Suko schaute mich an. »Okay! Wir wissen Bescheid. Hast du dir schon einen Plan zurechtgelegt?«
»Nein, sorry. Auf jeden Fall werden wir bleiben und Sie nicht aus den Augen lassen, Miranda.«
Sie nickte, und wir sahen, dass sie zitterte.
»Ich weiß ja nicht, wohin sie mit mir gehen wollen. Es kann sein, dass wir im Büro verschwinden. Dort bin ich ihnen dann regelrecht ausgeliefert.«
»Das denke ich eher nicht. Uns gibt es auch noch, vergessen Sie das bitte nicht.«
»Das weiß ich ja. Nur weiß ich nicht, wie viele Männer es sein werden. Und ich möchte keine Schießerei riskieren. So werde ich wohl oder übel auf ihre Pläne eingehen müssen.«
»Ja, das ist möglich. Aber lassen Sie sich da keine grauen Haare wachsen.«
»Das sagen Sie so einfach.«
»Noch eine Frage, Miranda. Wollen Sie Ihren Onkel über den Besuch informieren?«
»Soll ich das denn?«
»Wenn Sie nicht wollen, könnten wir das übernehmen.«
»Nein, bitte nicht. Mein Onkel würde niemals etwas zugeben, das steht fest.«
»Auch nicht in einer extremen Lage?«
»Das kann ich nicht sagen.« Sie schob ihren Stuhl zurück. »Ich glaube, es ist besser, wenn ich Sie jetzt verlasse. Mal sehen, was kommt.«
»Ja, gehen Sie, Miranda.« Sie warf uns einen letzten Blick zu und hielt dabei den Mund geschlossen. Dann stand sie endgültig auf, drehte sich nach links und ging auf die Theke zu.
Mittlerweile hatte sich das Lokal bis zur Hälfte gefüllt, und auch Bruno Zanussi hatte alle Hände voll zu tun. Er konnte nicht auf seine Nichte achten.
Ich nickte Suko zu und sagte mit leiser Stimme: »Ich glaube, wir sind genau am richtigen Tag hier erschienen.«
»Das kannst du laut sagen.« Er wollte noch etwas hinzufügen, aber unser Kellner erschien.
»Darf ich noch etwas servieren?«
»Ja«, sagte ich. »Für mich einen Espresso.«
»Ich nehme noch ein Wasser.«
»Sehr gern.«
Der junge Mann zog sich zurück, und wir waren gespannt, wie sich die Dinge entwickeln würden…
***
Miranda hatte den Tisch mit den beiden Männern von Scotland Yard verlassen und ging in das normale Lokal, wo sich die meisten Gäste aufhielten. Im Wintergarten saß man bei diesen Temperaturen schon etwas allein.
Noch immer hatte sie die scharfe Stimme des Anrufers im Ohr. Jedes Wort von ihm war ihr wie eine Drohung vorgekommen. Auch wenn die beiden Gangster auf dem Friedhof ihr nichts getan hatten, gab es einen Grund für sie, sich zu fürchten. Die Bande war gewarnt, aber sie ließ sich nicht einschüchtern und würde mit
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