1528 - Im Schlund der Bestie
Nähe nichts, an das wir uns hätten halten können, also waren wir nach wie vor den anderen Kräften ausgeliefert, die uns in ein Reich ziehen würden, das für Menschen nicht bewohnbar war.
Tiefe und die Dunkelheit. Ob wir schnell fielen oder langsam war für mich zumindest nicht feststellbar. Ich setzte einfach darauf, dass wir irgendwann ein Ziel erreichen würden.
Und gleich darauf erlebten wir den Gegendruck, als unsere Füße plötzlich Widerstand fanden und das Fallen aufhörte. Wir hatten uns nichts gebrochen, wir waren nicht zusammengesackt, wir standen einfach in der tiefen Schwärze einer unbekannten Welt.
Obwohl wir dicht zusammen standen, war es uns kaum möglich, das Gesicht des anderen zu erkennen. Die Dunkelheit um uns herum war wattedicht, und so konnten wir uns nur spüren.
Es war auch still. So still, dass ich meinen eigenen Herzschlag hörte.
Ich wartete die folgenden Sekunden ab und lauerte darauf, dass etwas geschah.
Da war nichts. Wir blieben stehen, wir konnten uns in dieser verdammten Schwärze ausruhen, was gar nicht mal so schlecht war. Es gab nichts in unserer unmittelbaren Nähe, das uns in große Angst versetzt hätte.
Wir hatten zudem keine Probleme mit der Luft. Sie war gut zu atmen.
Vielleicht ein wenig kühl und feucht, wie es in Kellern der Fall war, die sich unter alten Häusern befanden.
Ob wir tatsächlich in einem stockdunklen Keller gelandet waren, wollte ich dahingestellt sein lassen. Es konnte auch eine Reise gewesen sein, die uns in eine andere Dimension geführt hatte, und vielleicht befanden wir uns jetzt im Reich des höllischen Phantoms, das es endlich geschafft hatte, seine Gegner unter Kontrolle zu bekommen.
Ich hörte auch Stefanie Kirchners schweren Atem, und dann fragte sie: »Sind wir bei ihm? Oder sind wir in einer Vorhölle gelandet? Verdammt, was hat er mit uns vor?«
»Keine Ahnung. Aber ein Freund der Schwarzblüter bin ich nicht.«
»Was heißt das?«
»Schwarzblüter?«
Ich lachte leise auf. »So nenne ich meine dämonischen Feinde: Schwarzblüter. Aber egal, jetzt ist es nur wichtig, dass wir beide die Nerven bewahren und uns nicht aus der Ruhe bringen lassen.«
»Sie haben leicht reden. Für mich ist das alles neu, verflucht! Vor zwei Tagen hätte ich gelacht, wenn mir jemand das erzählt hätte, was mit uns passiert ist.«
»Kann ich verstehen.« Ich ging nicht näher auf ihre Worte ein, sondern holte das Kreuz unter meinem Hemd hervor. Ich ließ es in meiner Tasche verschwinden, wo ich es schneller zur Hand hatte, wenn es nötig war.
Allmählich beruhigte sich auch Stefanie Kirchner wieder. Ich stellte fest, dass sie nicht mehr so stark zitterte, und wartete erst mal ab, was noch geschehen würde.
Man griff uns nicht an. Man zeigte sich uns auch nicht. Die verdammte Dunkelheit blieb bestehen, und auch weiterhin war nicht die Hand vor Augen zu sehen.
»Sie haben doch eine Lampe, John.«
»Sicher.«
»Ob die was nutzt?«
Ich lachte leise. »Ja, auf die Idee bin ich auch schon gekommen. Ich kann es ja mal probieren.«
Die Leuchte verschaffte mir normalerweise eine recht gute Sicht, aber bei einer nicht normalen Finsternis so wie hier war es etwas anderes.
Und sie war nicht normal. Sie war nicht das Dunkel, wie sie jeder Mensch kannte.
Ich schaltete die Taschenlampe ein.
Ja, das Licht kam, aber ich sah keinen Strahl, der die Finsternis durchschnitten hätte. Sie umgab uns hier wie ein waberndes Gebilde, und so konnten wir das Licht der Lampe vergessen.
»Das habe ich mir fast gedacht«, flüsterte Stefanie. »Es war auch nur ein Versuch.«
»Klar. Was wir hier erleben ist nicht normal. Lachen Sie nicht, wenn ich es so einfach ausdrücke.« Ich bewegte meine Hand und leuchtete ihr ins Gesicht.
Es war eine helle Fläche, die da aus der Dunkelheit gerissen wurde.
Oder nur ein Teil ihres Gesichts. Ihre Augen waren zu erkennen. In ihnen lag kein hoffnungsvoller Schimmer.
Aber sie lächelte und meinte: »Ein Zauberkünstler ist keiner von uns. Sonst könnten wir uns…«
»Nein, das bin ich nicht.«
»Aber wir müssen hier weg und…«
Es war schwer für sie, das wusste ich. Ein Mensch, der zum ersten Mal in eine Lage geriet, die nicht zu erklären war, konnte auch daran verzweifeln.
Wir mussten einfach darauf warten, dass sich die andere Seite meldete.
Daran glaubte ich fest. Ich dachte auch darüber nach, wie ich sie locken konnte. Mir fiel nichts ein. Wir waren zu Spielbällen geworden, ohne dass wir etwas dagegen tun
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