1528 - Metamorphosen des Geistes
Lena Grispin ratlos. „Wir sollten ihn betäuben und gründlich untersuchen."
„Nein!"
„Aber er läßt uns sonst nicht an sich heran!"
„Er ist nicht krank. Ich bin ihm draußen im Wald begegnet. Wenn er wirklich schon eine Stunde vor mir auf der Lichtung war, dann muß er Sehr schnell gelaufen sein."
„Er hat noch keinen Bissen gegessen. Ich kann mir nicht vorstellen, daß er freiwillig hungert.
Nicht bei Xan.
Das hat er noch nie getan!"
Dancing Tree nickte. Er streichelte das Punamerkind.
Ivy beruhigte sich allmählich. Hier drinnen, im Innern der Station, fühlte sie sich sicher. Nach all der Aufregung war sie müde. Es dauerte nicht lange, dann schlief sie ein.
Dancing Tree trug sie in sein Zimmer. „Er sitzt immer noch da oben", sagte Lena, als er zum Ausgang kam.
Fast alle Bewohner der Station hatten sich mittlerweile hier eingefunden. Sie waren aufgeregt und ängstlich.
Sie alle hatten sich daran gewöhnt, die Punamer trotz der häufigen Prügeleien als im Grunde genommen friedfertige Wesen einzustufen. Selbst Xan und seine wilden Wutausbrüche waren berechenbar.
Alles lief nach einer mittlerweile vertrauten Routine ab.
Jetzt war dieses Schema unterbrochen worden, und diese Tatsache verunsicherte die Wissenschaftler.
Dancing Tree öffnete die Tür. „Bist du verrückt geworden?" fragte Rastakian erschrocken. „Was willst du machen, wenn er hier hereinkommt?"
Dancing Tree antwortete nicht. Er trat unter das Vordach hinaus. „Xan?" fragte er halblaut.
Leises Scharren und Kratzen auf dem Dach antwortete ihm.
Dancing Tree ging weiter, kam ins Freie und drehte sich erst um, als er gut fünf Meter vom Rand des Daches entfernt war.
Xan saß da, düster und drohend, und starrte ihn an. „Was willst du?" fragte Dancing Tree leise. „Was ist mit dir geschehen?"
Keine Reaktion.
Auf der Lichtung war es totenstill. Die Punamer hatten aufgehört, zu essen und mit dem Testmaterial um sich zu werfen. Sie saßen wie erstarrt. Alle Augen richteten sich auf den Pascha. Die ganze Bande schien die Luft anzuhalten.
An der offenen Tür standen Rastakian und zwei andere Wissenschaftler mit gezogenen Paralysatoren. Dancing Tree sah es mit Besorgnis. Er wagte es jedoch nicht, ihnen laut etwas zuzurufen oder gar noch einmal umzukehren. „Xan!" versuchte er es erneut. „Komm schon, alter Bursche! Komm da herunter!"
Natürlich verstand der Punamer nicht, was Dancing Tree sagte - oder etwa doch?
Xan richtete sich langsam auf. Die Punamer duckten sich. Die kleineren Kinder tauchten kopfüber in die Bauchbeutel ihrer Mütter.
Xan tat einen Sprung und landete auf dem Boden, direkt vor Dancing Trees Füßen.
Sämtliche Punamer stoben davon.
Im Handumdrehen war die Lichtung verlassen.
Noch nie zuvor war Dancing Tree dem riesigen Pascha so nahe gewesen. Er hätte nur die Hand zu heben brauchen, um den Punamer zu berühren. Er sah das Spiel der gewaltigen Muskein unter dem weißen Fell, und er dachte an den Ast, den Xan im Wald so mühelos zwischen den Fingern zerbröckelt hatte.
Er wird mir nichts tun! dachte er.
Es war, als wollte er sich selbst damit hypnotisieren. „Xan!" sagte er leise. „Was soll das alles? Was ist mit dir passiert?"
Der mächtige Kopf senkte sich. Xan blickte auf die Waffe, die noch immer an Dancing Trees Gürtel steckte.
Dann sah er dem Terraner in die Augen.
Dieser Blick! „Wenn ich nur wüßte, ob du mich verstehst!" murmelte Dancing Tree. „Ich würde die Waffe ablegen, wenn es das ist, was dich stört. Aber wenn ich Pech habe und du in Wirklichkeit an etwas ganz anderes denkst, sind wir alle beide fallig. Die da drinnen sind nämlich sehr nervös. Und auch wenn sie nur Paralysatoren haben - es wird dir nicht gefallen."
Xans Blick wanderte erneut zu der Waffe ... und dann wieder aufwärts, bis er in die Augen des Terraners sehen konnte.
Plötzlich drehte er sich zur Seite. Fast hätte er Dancing Tree gestreift, aber er wich der Berührung mit dem Terraner im letzten Moment aus.
Langsam und vorsichtig ging er zu einem der Tische.
Der Terraner hatte den Eindruck, daß Xan bewußt jede unbedachte Bewegung vermied. Fast schien es, als bemühe sich der Punamer seinerseits, Dancing Tree nur ja nicht zu erschrecken.
Jetzt blieb er stehen, direkt neben einem der Tische. Er nahm eine der Plastiktafeln auf, suchte die dazugehörigen Teile aus dem Durcheinander heraus und fügte sie an ihren Platz.
Dancing Tree sah ihm verblüfft zu.
Xan legte die Tafel auf den Tisch, ging
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