1528 - Metamorphosen des Geistes
Bursche sich hier bei uns in der Station aufhält. Um Luebold können wir uns später immer noch kümmern. Soll er zuerst seinen Rausch ausschlafen. Vorher hat es sowieso keinen Sinn, ihm Fragen zu stellen."
7.
13.12.1170 NGZ
Natürlich fragten sie ihn danach, was mit ihm geschehen war - immer wieder.
Sie zeigten ihm den Gerätegleiter und den Hypnoschuler, konfrontierten ihn mit Darn, erklärten ihm, daß ihm großes Unrecht widerfahren war, und beteuerten, daß es ihnen leid tat.
Aber Xan ging nicht darauf ein. Er lehnte es auch ab, über die nächtliche Begegnung mit Dancing Tree zu sprechen.
Es war ein seltsamer Widerspruch in seinem Verhalten: Er lernte mit atemberaubender Geschwindigkeit dazu, aber je mehr er lernte und begriff, desto verschlossener wurde er.
Er unternahm keinen zweiten Versuch, in den Wald zurückzukehren. Er bat darum, in der Station bleiben zu dürfen. Und dort ging er bei Tag und Nacht umher und stellte unzählige Fragen.
Spät nachts hörte Dancing Tree ein leises Kratzen an seiner Tür. Er kannte das mittlerweile - es geschah in jeder einzelnen Nacht, immer dann, wenn die anderen sich endgültig zurückgezogen hatten.
Er öffnete die Tür. Xan schob sich an ihm vorbei ins Zimmer. „Ich kann nicht alleine sein", sagte der Punamer. „Laß uns reden, alter Bursche."
Diese Bezeichnung hatte es ihm angetan. Alle anderen sprach er bei ihren Namen an. Nur bei Dancing Tree machte er eine Ausnahme.
Xan setzte sich an den Arbeitsplatz des Terraners und musterte interessiert alles, was es dort zu sehen gab.
Die Fortschritte, die er machte, war ren atemberaubend. Sein Wortschatz entsprach jetzt ungefähr dem eines zwölfjährigen Kindes. Er konnte auch bereits ein wenig lesen. Er benutzte die hygienischen Einrichtungen innerhalb der Station, anstatt einfach im Wald zu verschwinden. Er aß manierlich, achtete darauf, daß er nichts zerbrach, und war sich durchaus der Tatsache bewußt, daß er mit seinen ungeheuren Kräften vorsichtig umgehen mußte. Aus seiner anfanglichen Standardfrage „Was ist das?" war ein „Warum ist das so?" geworden.
Und doch war Dancing Tree nicht gerade glücklich über das, was mit Xan geschah. Auch die nächtlichen Aktivitäten des Punamers bereiteten dem Terraner große Sorgen.
Es war schon jetzt ganz offensichtlich, daß alle Verhaltensschemata, die Xans Leben bisher bestimmt hatten, nach und nach zerbrachen. Der Punamer verlor langsam den Boden unter den Füßen. Bei der ungeheuren Dynamik, die diese Vorgänge entwickelten, blieb nicht genug Zeit, neue feste Gewohnheiten und Regeln an die Stelle der alten zu setzen.
All das mußte unweigerlich zu einer Identitätskrise führen.
Xan wußte jetzt kaum noch, wer und was er eigentlich war. Ihm fehlte die Gewißheit, einen Platz und eine Funktion zu haben, eine Zugehörigkeit, die seinem Leben einen festen, sicheren Rahmen gab.
Er konnte nicht zu seinem Volk zurückkehren.
Und in der Station war er ein Fremder.
Mit welch dramatischer Geschwindigkeit diese Entwicklung voranschritt, das zeigte sich unter anderem daran, daß er ständig Gesellschaft brauchte. Nichts fürchtete er so sehr wie die kurzen Augenblicke, in denen er mangels ständiger Ablenkung seinen eigenen Gedanken ausgeliefert war. Aus dieser Angst heraus mied er sogar den Schlaf, wo er nur konnte. Die Übermüdung verschlimmerte das Problem.
Xan war nervös, und diese Nervositat wurde immer stärker. Irgendwann würde er aus der Haut fahren.
Dancing Tree hatte Angst vor diesem Moment, und gleichzeitig sorgte er sich um den Verstand des Punamers.
Vor lauter Sorge kam er selbst kaum noch zur Ruhe. „Ich muß morgen nach Suhle fahren", sagte Dancing Tree, um sich und Xan abzulenken.
Vor ein paar Tagen hatte Harker ein Ersatzteil geholt. Armin Luebold war keineswegs betrunken gewesen, als Lena mit ihm sprechen wollte. Der Hanse-Angestellte hatte einen schweren Fieberanfall hinter sich. Inzwischen sollte er sich ausreichend erholt haben - und er hatte ausdrücklich nach Dancing Tree gefragt. „Was ist das - Suhle?" fragte Xan. „Eine Stadt - falls man es so nennen will. Offiziell ist es sogar die Hauptstadt von Punam. Aber eigentlich ist es nur ein häßlicher kleiner Handelsstützpunkt. Ein Kontor, ein paar Lagerhallen, eine stillgelegte Förderanlage.
Manchmal kommen Siedler, um Waren abzuholen. Liefern können sie nichts mehr. Wegen der Quarantäne wird nichts mehr angekauft. Die Lagerhallen sind überfüllt."
„Wie
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