1529 - Tochter, Mutter, Teufelssaat
Tochter?«
»Lass mich vorbei.«
»Warum?«
»Ich will, dass du mich vorbei lässt, verdammt noch mal. Ich muss meinen Weg fortsetzen.«
»Ich wohne in einer anderen Richtung. Ich habe dich deinem Vater versprochen, mein Kind. Ja, das habe ich. Dein Vater will dich sehen. Du bist eines von seinen Kindern, die er in die Welt gesetzt hat.«
»Wer ist mein Vater?« Die Schülerin hatte die Frage gestellt, und ihre Stimme hatte geknurrt. Sie hätte auch ebenso gut einem jungen Mann gehören können. Die Antwort war ihr bekannt, aber sie wollte sie nicht akzeptieren. Ihr Geist reichte nicht aus. Zudem ging es wider den Verstand. Das gehörte nicht zu ihrem Leben. Sie hatte Jahre in einem Internat verbracht, in dem vom Teufel nicht die Rede war. Höchstens mal bei einem Fluch, und jetzt sollte sie erfahren, dass ihr Vater der Teufel war?
Camilla breitete ihre knochigen Arme aus. »Er ist der Mächtige. Er ist der wahre Weltenherrscher. Er regiert im Geheimen. Er steuert und lenkt die Welt mit ihren Menschen. Die meisten akzeptieren das nicht, lehnen ihn ab, und doch zeigt er sich immer wieder. Das habe ich erlebt.« Sie rieb ihre Hände, während Elisa noch immer die Griffe des Lenkers umklammerte, als würde sie nur dort Halt bekommen und sonst nirgendwo. Sie konnte auch nicht mehr reden, atmete hektisch und nicht tief durch, und sie hatte das Gefühl, die Gestalt der Mutter würde sich auflösen und verschwinden, was allerdings ein Wunschtraum war.
Der Entschluss stand fest und den gab sie auch bekannt. »Nein, und abermals nein. Ich werde nicht mit dir gehen! Mein Platz ist nicht bei dir. Ich bin nicht die Tochter einer Hexe, auch wenn du mich geboren haben solltest, was ich immer noch nicht glauben will. Du bist widerlich, du bist hässlich, und das kann nicht…«
»Oh, ich war für den Teufel damals schön genug. Ja, ich war so alt wie du. Da hat er mich genommen.«
»Das ist mir egal!«, brüllte Elisa der Frau ins Gesicht. »Das ist mir alles egal. Ich gehe meinen Weg und lasse mich von niemand aufhalten. Ist das klar?«
Elisa hatte diese Sätze gebraucht, um sich selbst zu überwinden. Sie war kein Mensch, der Gewalt einsetzte. Davon hatte sie sich immer distanziert. Nun aber war der Punkt erreicht, an dem sie das alles über Bord warf.
Sie hielt das Rad fest.
Und dann rammte sie es vor!
Es war bei ihr wirklich eine Tat, zu der sie sich hatte aufraffen müssen.
Sie wollte diese Unperson aus dem Weg räumen, und das Rad rammte gegen die Gestalt.
Camilla schrie nicht. Sie torkelte nur zurück, wurde dann zur Seite gedrängt, brüllte ihre Wut hinaus und machte einen Fehltritt, denn mit einem Fuß landete sie neben der Straße im Graben.
Es war die Chance der Tochter!
Elisa hatte freie Bahn. Da stand niemand mehr vor ihr, und sie schwang sich nach einem kurzen Anlauf auf den Sattel. Es waren die Angst und die Panik, die sie vorantrieben und dafür sorgten, dass sie genügend Fahrt bekam. Es ging in den Wald hinein. Sie wusste, dass sie durch ihn hindurch musste, um wieder in freies Gelände zu gelangen. Dort sah sie ihre Chance, zu entkommen, als besser an.
Sie sprach mit sich selbst, während sie in die Pedale stieg. Sie fuhr so schnell sie konnte. Sie wollte, sie musste entkommen, denn sie ahnte, dass sie gegen die Person, die sich ihre Mutter nannte, nicht ankam.
Wieder spürte sie den Fahrtwind im Gesicht, das einen verzerrten und angestrengten Ausdruck zeigte. Sie spürte Tränen in den Augenwinkeln, und ihre Flucht wurde zu einem regelrechten Kampf gegen die Tücken der Natur.
Ob Camilla sie verfolgte, sah sie nicht. Sie wollte sich auch nicht drehen, das hätte ihre Fahrt nur unterbrochen, aber sie konnte sich nicht gegen die eigenen Gedanken wehren, die ihr in den Kopf kamen. Plötzlich dachte sie daran, wie es möglich gewesen war, dass man sie so schnell gefunden hatte.
Wusste Camilla über sie Bescheid? War sie über ihre Schritte informiert?
Hatte sie all die Jahre über einen…
Das scharfe Lachen zerriss ihre Gedanken!
In der folgenden Sekunde wusste sie, was passiert war. Da musste sie sich nicht mal umdrehen.
Sie war hinter ihr!
Elisa trat noch mal kräftig zu, gewann wieder an Fahrt und drehte den Kopf.
Die Fratze schwebte ebenso in der Luft wie der Körper, und ihr schoss ein wahnsinniger Gedanke durch den Kopf.
Sie kann fliegen! Sie ist eine verdammte Hexe, die tatsächlich fliegen kann!
Im nächsten Augenblick bekam sie einen Stoß. Zugleich griff eine Klaue in ihren
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