1529 - Tochter, Mutter, Teufelssaat
Welt verrückt machen, und man würde ihr irgendwann auch glauben. Deshalb ist es besser, wenn du etwas unternimmst. Zieh sie aus dem Verkehr.«
»Wie denn?«
»Fang sie ab.«
»Du bist gut. Weißt du, in welche Richtung sie gefahren ist?«
»Nein, das weiß ich nicht. Aber sie wird nicht die ganze Zeit über mit dem Rad unterwegs sein. Sie braucht ein schnelleres Verkehrsmittel, das kann durchaus ein Zug sein. Sie ist eine gute Radlerin, und sie kann es bis Bamberg schaffen oder auch nach Erlangen, Fürth, was weiß ich. Aber ich tendiere mehr zu Bamberg.«
»Gut, du hast mich überzeugt.« Die Hexe kicherte. »Du brauchst dir auch keine Sorgen zu machen, dass sie entkommt. Ich bin ihre Mutter, und zwischen Mutter und Tochter existiert noch immer ein Band, das nicht zerrissen ist.«
»Dann können wir hoffen.«
»Auf jeden Fall.«
Agnes nickte, auch wenn Camilla das nicht sah. »Hältst du mich auf dem Laufenden?«
»Klar.«
»Nein, anders, Camilla. Ich fühle mich hier oben wie in einem Turm gefangen. Das passt mir nicht. Ich werde in den Ort fahren und auch zu dir kommen. Ist das okay?«
»Wenn du willst…?«
»Und ob ich will, Camilla und ob. Zieh du deine Sache durch. Ich kümmere mich um meine…«
***
Es gab den Schutzengel, denn eine andere Erklärung hatte Elisa nicht dafür, dass sie einem schweren Unfall im letzten Moment entging. Es war der Bus, der plötzlich angefahren war und nach links gezogen hatte.
Beinahe hätte er das Rad oder es ihn gerammt, und das wäre einer Katastrophe gleich gekommen.
Die Schülerin wich im letzten Augenblick aus, fuhr quer über die Straße und schaffte es, kurz vor einem Baumstamm zu bremsen. Sie stieg ab.
Ihr Herz schlug wahnsinnig schnell. Über ihr Gesicht strömte der Schweiß, und die Hände an den Griffen zitterten.
Der Bus war bereits wieder angefahren. Wahrscheinlich hatte der Fahrer nicht mal etwas bemerkt. Es verging schon Zeit, bis sich ihr Herzschlag wieder beruhigt hatte. Dabei schaute sie sich in der Umgebung um und sah auf der anderen Seite die kleine Bäckerei. Ihr fiel ein, dass sie nichts zu essen dabei hatte. Die Minute wollte sie sich nehmen und etwas Proviant kaufen.
Die Besitzerin kannte sie recht gut. Viele Schülerinnen kauften hier ein.
»Hallo, Elisa, auch mal wieder im Ort?«
»Ja.«
»Und? Wie läuft es oben in eurer Burg?«
»Wie immer.«
»Was kann ich denn für dich tun?«
»Ein bisschen Gebäck.«
Die Chefin lächelte. Sie wusste, dass die Schülerinnen knapp mit dem Geld waren. »Möchtest du etwas vom gestrigen Tag haben? Ich lass es dir für weniger als die Hälfte.«
»Das wäre super.«
»Wie viel?«
»Eine Tüte…«
»He, machst du eine Reise?«
»So ähnlich. Ich will mal ein wenig durch die Gegend fahren. Und wenn ich Hunger bekomme…«
»…dann sind unsere Waren genau das Richtige, um den Hunger zu stillen.«
»Ja, das dachte ich auch.« Elisa war froh, dass die Bäckersfrau nichts von ihrer Nervosität bemerkt hatte. Sie selbst hatte das Gefühl, jeder würde ihr an der Nasenspitze ansehen können, was mit ihr los war. Und sie schaute auch mehr zum Fenster hin als zu der Frau, die dabei war, das Gebäck in die Tüte zu füllen.
»So, das war’s, Elisa.«
»Was muss ich zahlen?«
»Macht zwei Euro.«
Elisa strahlte. »Danke.«
»Lass es dir gut schmecken.«
»Werde ich machen.« Auf dem Weg zur Tür winkte sie. »Sie haben noch immer das beste Gebäck.«
»Herzlichen Dank.«
Hunger verspürte Elisa nicht. Aber der würde sich unterwegs noch einstellen, und sie packte die Tüte zuerst mal in die Reisetasche. Es war noch genügend Platz.
Dann fuhr sie los.
Die Bäckerei lag in der Mitte der kleinen Ortschaft. Elisa musste die zweite Hälfte noch durchfahren, um auf die Landstraße zu gelangen, die in Richtung Bamberg führte. Ob sie die gesamte Strecke vor Einbruch der Dunkelheit noch schaffte, war fraglich, aber sie wollte noch heute einen Bahnhof erreichen, und dann würde sie sehen wie es weiterging.
Mit den knapp dreißig Euro war das nicht leicht.
Permanent dachte sie an ihre Mutter. Elisa stellte sich vor, dass die Frau plötzlich aus dem Gebüsch rechts oder links der Straße auftauchte und sich ihr in den Weg stellte.
Bei diesem Gedanken schüttelte sie sich, aber auch, weil sie an das Aussehen ihrer Mutter dachte, dass sie einfach nicht mehr als menschlich ansah. Zwar besaß sie noch einen menschlichen Körper, aber Elisa fragte sich, wie sich eine Person so verändern
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