1529 - Tochter, Mutter, Teufelssaat
Landschaft wie ein dreidimensionales Gemälde, in das ich hineinfuhr. Grüne, gelbe und braune Farben wechselten sich ab, und hätte über allem ein blauer Himmel geschwebt, wäre das Bild perfekt gewesen.
Das Einsehen hatte der Wettergott jedoch nicht. Das Blau lag hinter einem grauen Teppich verborgen, der auch einen großen Teil des Sonnenlichts zurückhielt. So war es nicht verwunderlich, dass ein recht kühler Wind über das Land streifte.
Ich hatte bisher recht wenig Wald gesehen, was sich nun änderte. Vor mir lag eine weite Kurve, in die ich hineinfahren musste. Und ich sah schon jetzt, dass sie einen Wald durchschnitt und ihn praktisch in zwei Hälften teilte.
Der Wald war nicht besonders dicht. Schon aus dieser Entfernung waren die lichten Stellen zu sehen, trotz des dichten Laubkleids, das die Bäume zu dieser Jahreszeit trugen.
Das Licht brauchte ich nicht einzuschalten. Ich fuhr allerdings langsamer auf den Wald zu und dachte auch daran, dass mir plötzlich irgendwelche Tiere über den Weg laufen konnten und ich schnell bremsen musste.
Alles war bisher glatt gelaufen. In den nächsten Sekunden änderte sich das Geschehen schlagartig. Ich war in den Wald eingefahren und sah auf meiner Windschutzscheibe ein Gesprenkel aus Licht und Schatten, als ich vor mir an der rechten Straßenseite eine Bewegung wahrnahm.
Noch war ich zu weit entfernt, um Genaues erkennen zu können.
Sekunden später stand plötzlich ein Bild vor meinen Augen, das ich nun wirklich nicht erwartet hatte.
Auf der Straße lag ein Fahrrad. Rechts davon sah ich zwei Frauen. Eine war dabei, die andere in die Höhe zu zerren, die sich wehrte und so versuchte, dem Griff zu entkommen, was sie nicht schaffte. Zudem drosch die zweite Frau auf sie ein, und ich glaubte sogar, Schreie zu hören.
Ich war da!
Bremste ab!
Bevor ich den Polo verließ, fiel mir auf, dass ich beobachtete wurde. Die Frau, die auf die andere Person einschlug, hatte mir ihren Kopf zugedreht. Für einen winzigen Moment gelang mir ein Blick in das Gesicht, dessen Aussehen mich erschreckte.
War es eine Fratze, die nur mehr aus Haut und Knochen bestand? Oder hatte ich mich geirrt?
Egal, ich musste raus. Ich stieß die Wagentür auf. Beim hastigen Aussteigen hätte ich mir fast den Kopf gestoßen. Ich war dabei auf mich selbst konzentriert. Der nächste Schritt brachte mich näher an das Geschehen heran, und da sah ich die hässliche Person, die von der anderen Frau abgelassen hatte.
Sie interessierte sich nicht mehr für mich, sonder hatte nur ein Ziel. Wäre die zweite Person nicht da gewesen, hätte ich die Verfolgung aufgenommen.
So aber ließ ich sie ziehen und eilte auf die Frau zu, die neben der Straße im hohen Gras lag, stöhnte und sich jetzt aufrichtete.
Mir fielen mehrere Dinge zugleich auf. Zum einen sah ich, dass ich es mit einer noch recht jungen Person zu tun hatte, die das zwanzigste Lebensjahr noch nicht erreicht hatte. Dann fiel mir das Gefühl der Angst auf, das sich in ihren Augen zeigte. Ich hörte sie schluchzen, ich sah ihr Zittern und vernahm auch das Klappern der Zähne, die aufeinander schlugen.
Als sie mich sah, riss sie die Arme hoch, um ihr Gesicht zu schützen. Ich hörte auch die leisen Schreie aus ihrem Mund und sah, dass sie Tränen vergoss.
Von der anderen Person war nichts zu sehen. Der Wald gab ihr genügend Deckung. Ich räumte das Rad von der Fahrbahn und kehrte zu der Weinenden zurück. Sie hatte noch immer eine abwehrende Haltung eingenommen und flüsterte mir etwas zu, das ich nicht verstand.
»Bitte, ich tue Ihnen nichts. Ich will Ihnen nur helfen. Glauben Sie mir…«
Das Wort helfen schien bei ihr etwas ausgelöst zu haben, denn ihr Blick klärte sich, nachdem sie die Tränen aus den Augen gewischt hatte.
Einige Male zog sie die Nase hoch und schüttelte dabei den Kopf wie jemand, der nicht begreifen kann, was ihm widerfahren ist.
»Geht es Ihnen jetzt besser?«
»Ich glaube.«
»Das ist gut.« Ich lächelte ihr zu und sagte meinen Namen.
Sie stutzte ein wenig, danach entschied sie sich, auch zu sagen, wie sie hieß.
»Elisa Foret.«
»Gut.« Ich versuchte es mit einem Lächeln. »Da wir jetzt die Formalitäten hinter uns gebracht haben«, sagte ich locker, »können wir zur Sache kommen. Was ich gesehen habe, und es war nicht viel, hat mir nach einem Überfall ausgeschaut. Oder irre ich mich?«
Sie blieb weiterhin auf dem Boden sitzen und starrte mich an. »Ja, da können Sie schon Recht haben.«
»Okay.
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