153 - Angelina, die Teufelin
Sie…"
Annica schluckte.
„Du kannst nicht Mario sein. Du bist ein Verrückter."
„Nein, Annica… ich bin es wirklich… ich habe dich mit ihr betrogen, und ich muß bitter dafür bezahlen. .. verzeih mir…"
Ich kann's nicht glauben, dachte sie entsetzt. Wie ist so etwas möglich?
„Sie ist… der Teufel selbst… Annica… Sie hat mir das Leben genommen… Fünfzig Jahre, sagte sie, und ich… "
„Die Frau mit dem roten Haar?"
„Du hast sie gesehen?" keuchte er mit ersterbender Stimme.
Annica nickte. „Ja", sagte sie heiser.
Die Hand des Greises tastete nach ihr.
„Töte sie", keuchte der uralte Mario. „Töte sie, Annica… Du mußt sie töten, hörst du? Sie hat mich umgebracht."
Annica schwieg. Ihre Gedanken überschlugen sich. Es ergab alles keinen Sinn. Es war doch unmöglich…
„Ver… sprich mir… töte…", flüsterte der Sterbende.
Unwillkürlich drückte sie seine Hand. Ein Lächeln spielte um seine Mundwinkel. Die Haut war dünn und spröde wie Pergament. „Dann… gut…", hörte sie seine Stimme verwehen. Er sank in sich zusammen.
Annica war mit einem Toten in ihrer Wohnung allein.
Sie war ratlos. Was sollte sie tun? Die Polizei anrufen und sagen: Liebe Carabinieri, mein Dauerverlobter ist ermordet worden von einer Teufelin? Schaut ihn euch an, sie hat ihn zu einem Greis gemacht? Sucht die Rothaarige mit dem schwarzen Lamborghini?
Man würde sie auslachen.
Laut Ausweis und Geburtsurkunde war Mario gerade etwas über dreißig Jahre alt. Er konnte niemals mit diesem alten Mann identisch sein. Man würde Annica für verrückt erklären. Man würde sie einsperren, weil sie einen Greis in ihre Wohnung gelockt und ermordet hatte. Man würde ihr vorwerfen, sie habe auch ihren Dauerverlobten ermordet - denn der war ja ebenfalls verschwunden. Es konnte nicht sein, daß ein Dreißigjähriger und ein Achtzigjähriger miteinander identisch waren. Was nicht sein durfte, konnte auch nicht sein. Beamtenverstand fragt nicht nach Fakten, sondern nach Tradition.
Sie konnte also nicht zur Polizei gehen.
Zumindest nicht in dieser Form.
Sie legte sich ein Lügengespinst zurecht. Eine Vermißtenanzeige. Mario war verschwunden, und sie glaubte ihn auf der Straße in Begleitung einer rothaarigen Frau in einem schwarzen Lamborghini gesehen zu haben, irgendwann in den letzten Tagen. Sie hatte dafür keine Zeugen, weil es Zufall gewesen war, und sie glaubte sich dabei geirrt zu haben. Sie hatte sich nur das Kennzeichen des Lambo gemerkt. In Florenz zugelassen. Fahndet nach dem schwarzen Lamborghini, das ist vielleicht eine Spur zu meinem verschwundenen Mario.
Das würde dieses verfluchte rothaarige Weib zumindest in Schwierigkeiten bringen, dachte Annica böse.
Ja, so mußte sie es machen. Und sie mußte den Leichnam Marios unauffällig beseitigen.
Eine Aufgabe, vor der sie panische Angst hatte. Aber sie mußte da durch.
Und dabei lernte sie das Grauen kennen und wurde hart.
Federico Rettis Parties hatten einen gewissen Bekanntheitsgrad. Monatlich gab es mindestens ein Fest in Rettis Landhaus in den Albaner-Bergen, rund fünfzehn bis zwanzig Kilometer von den Toren Roms entfernt. Retti war reich und pflegte seine Parties im großzügigsten Stil zu feiern. Bei ihm traf sich die Prominenz aus Wirtschaft, Politik und Film, wobei letzteres überwog - Retti produzierte Abenteuerfilme ebenso wie Soft-Pornos, und oft genug war einer seiner weiblichen Party-Gäste in eine Hauptrolle gerutscht - mehr oder weniger durch Rettis Bett, wie man munkelte. Aber wen störte es? Ihn selbst am wenigsten.
Angelina ließ ihren Lamborghini von einem der Bediensteten zwischen einem Mercedes 600 und einem Porsche Carerra einparken. Niemand fragte nach einer Einladung. Wer zu Retti kam, war eingeladen, und die Bediensteten kannten jedes Gesicht - bei Angelina ein Kinderspiel. Ihre schockroten Haare waren ihr Erkennungszeichen.
Im Landhaus selbst spielte sich kaum etwas ab. Die Party lief draußen im Park und um den Swimmingpool herum, in dem sich eine größere Anzahl ausgesucht hübscher Mädchen mehr oder weniger unbekleidet tummelte.
„Nachwuchs für Rettis Filme, ja?" fragte Angelina eine Spur zu spöttisch. Der Mann in der gestreiften Livree, der sie durchs Haus zur großen Terrasse geführt hatte, zuckte mit den Schultern.
„Nun ja, Signorina. Sicher werden sich einige von ihnen später in Signor Rettis Filmen wiedersehen. Warum nicht? Und, wenn mir die Bemerkung erlaubt ist, sie sehen doch wirklich
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