153 - Das Ende der Technos
lassen.
Endlos ging es dahin, von einer Insel zur nächsten. Eintönig hallten die Schmatzgeräusche ihrer Füße von den dicken Nebelbänken wider, erzeugten einen einschläfernden Rhythmus.
Mit der Zeit gewann Linus selbst in dieser ihm unbekannten Umgebung wieder an Sicherheit. Er lernte anhand bestimmter Sumpfpflanzen den einfachsten Weg zu finden oder das Blubbern als Anwesenheit eines Sumpfgetiers einzuordnen.
Auch Su leistete schier Unglaubliches. Unermüdlich trieb sie Mboto an, zog und zerrte ihn über Hindernisse hinweg, wollte ihn unter keinen Umständen aufgeben.
Irgendwann wurde das Gehen einfacher, das Land unter ihren Füßen wurde fester, die Nebel verzogen sich.
»Wir haben es geschafft!«, rief Linus schließlich und klatschte begeistert in die Hände. Er umarmte seine Schwester, tanzte mit ihr wild über die Wiese, an deren Rand ein von Birken und Kiefern beherrschter Wald seinen Anfang nahm.
Ein Vogelruf erklang, ähnlich dem, den sie zur Mittagspause gehört hatten.
Augenblicklich ließ Linus seine Schwester los und blickte sich um, alarmiert wie ein in die Enge getriebenes Raubtier.
Noch einmal zwitscherte der Vogel, und Linus ließ wie unter einer schweren Last die Schultern nach vorne fallen. »Sie haben uns gefunden«, sagte er. »Ich kenne diesen Laut.«
»Wer hat uns gefunden?«, fragte Pat. Er fletschte die Zähne, zog seine Waffe und drehte sich suchend im Kreis.
»Lass den Blödsinn!«, mahnte ihn Linus. »Wenn sie es gewollt hätten, würden wir schon längst in ihren Kochtöpfen schwimmen.« Er deutete nach Westen, in Richtung der untergehenden Sonne.
Ein Dutzend Gestalten schob sich aus dem Wald. Mit Schlagwaffen ausgestattete Barbaren kamen langsam auf sie zu und begannen, laut Kriegsgesänge anzustimmen.
***
»Das ist Maddie Kool mit seinen Männern«, sagte Linus. »Passt auf, was ihr sagt und macht. Der Bursche trägt seinen Beinamen ›Maddie‹ wie einen Ehrentitel.«
Maddie bedeutete in der Barbarensprache so viel wie
»schwer verrückt«, wie Eve mittlerweile wusste. In manchen Bereichen war der sonst so bescheidene Wortschatz der Lords extrem gut bestückt. Ein gutes Drittel von ihnen schmückte sich mit entzückenden Begriffen wie »Craazi«, »Luunatic«, »Fraancy« oder »Insaani« einerseits und »Muurdaa«, »Kiilla«, »Raaper« oder »Chooppa« andererseits.
Die Meute kam näher. Ihre Gesichter waren gewohnt dreckverschmiert, die meist nackten Oberkörper von rituellen Narben und primitiven Tattoos gezeichnet.
Linus atmete tief durch. »Ich werde mit ihnen reden«, sagte er schließlich und marschierte los, bevor Eve oder seine Schwester reagieren konnten.
Als die Barbaren ihn kommen sahen, hielten sie die Holz-und Lederschilder hoch und klopften mit ihren Waffen in archaischem Rhythmus darauf. Schließlich blieben sie stehen.
Ein Hüne von einem Mann trat vor. Seine Haare waren offensichtlich vor kurzem mit einem stumpfen Messer abrasiert worden; blutige Schnitte zogen sich kreuz und quer über den Schädel. Quer durch die Nase hatte er sich einen kurzen Knochen gezogen, der an das längste Glied eines menschlichen Zeigefingers erinnerte.
Linus und der Barbar, ganz offensichtlich Maddie Kool, trafen sich ungefähr dreißig Meter von ihnen entfernt. Eves Herz schlug ihr bis zum Hals, als sich die beiden so ungleichen Gestalten gegenüberstanden – und dennoch wäre sie gerne bei der folgenden Unterredung dabei gewesen. Die Faszination, die die Lords auf sie hatten, war ungebrochen.
Linus musste den Kopf weit in den Nacken legen, um dem Barbaren in die Augen blicken zu können. Routiniert machte er ein paar Handzeichen der Freundschaft, umfasste den Größeren fest an dessen Unterarmen. Dann sagte er etwas.
Maddie Kool antwortete, neuerlich unverständlich für sie.
Dann rülpste er laut, spie verächtlich in die Wiese – und schlug dem Jungen wuchtig ins Gesicht. Linus hielt sich trotz des wuchtigen Schlages auf den Beinen.
»Dieser verdammte Hurensohn!« Pat griff in seinen Hosenbund, zog den Revolver hervor.
»Nein!«, schrie Linus, ohne sich umzudrehen. »Bleibt ganz ruhig.« Er hielt den Blick weiterhin auf Maddie Kool gerichtet.
Eve und Su fielen Pat im letzten Augenblick in den Arm, brachten ihn mit geeinten Kräften dazu, die Waffe wieder einzustecken. Fluchend gehorchte der Soldat, dessen Inneres Eve wie ein brodelnder Vulkan vorkam. Er schien immer weniger kontrollierbar, nachdem ihm seine »Funktion« als Soldat abhanden gekommen
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