1532 - Das Bermuda-Erbe
flüsterte das Vogelmädchen und lehnte sich wieder zurück. Ihr Kopf fand auf dem Kissen seinen Platz. »Ich weiß nicht, ob wir das schaffen können.«
Maxine beugte sich über sie, sodass Carlotta sie anschauen konnte.
»He, meine Kleine, was ist denn los? So kenne ich dich gar nicht. Das ist mir neu.«
»Ich habe Angst«, erklärte Carlotta mit einer Zitterstimme. »Ja, ich habe richtige Angst.«
»Das kann ich verstehen. Nur bist du sonst nicht so gewesen. Ich kenne dich recht lange, und wir haben schon einiges mitgemacht. Schlimme Dinge…«
»Ich weiß, Max. Aber die hier, die kann man nicht fassen. Ich habe sogar daran geglaubt, dass sie durch das Fenster kommen würden. Durch die geschlossene Scheibe. Und ich glaube sogar, dass sie es geschafft haben.«
»Wie kommst du darauf?«
»Gerüche, Max. Ich habe sie gerochen, und das war nicht eben angenehm, kann ich dir sagen. Es war sogar grauenhaft. Sie stanken, aber jetzt riecht man nichts mehr.«
»Das kann ich bestätigen.«
»Wie spät ist es denn?«
»Noch nicht mal Mitternacht.«
»Dann ist die Zeit noch lang.«
»Stimmt. Soll ich bei dir bleiben? In deiner Nähe? Oder willst du in meinem Zimmer schlafen?«
Carlotta sah aus, als wollte sie zustimmen. Aber sie überlegte es sich anders und sagte: »Nein, nein, das werde ich lassen. Es wäre nicht gut, wirklich nicht. Ich muss allein damit fertig werden. Schließlich bin ich kein kleine Kind mehr.«
»Okay, meine Liebe. Aber ruf mich, wenn etwas geschieht.«
»Ja.«
»Und außerdem werde ich hin und wieder nach dir schauen.«
»Danke, du bist lieb. Aber du musst auch schlafen.«
»Keine Sorge, das schaffe ich schon. Wichtig bist du, Carlotta, und sonst niemand.«
»Danke.« Das Vogelmädchen konnte wieder lächeln. Zum Abschied streichelte Maxine das Gesicht, dessen Haut noch immer so blass wirkte.
Danach erhob sie sich und verließ das Zimmer. Sie drehte dem Vogelmädchen den Rücken zu, sodass Carlotta nicht ihr nachdenkliches Gesicht sah.
Maxine machte sich schon Sorgen, auch wenn sie das Carlotta gegenüber nicht so zum Ausdruck gebracht hatte. Sie waren in einen gefährlichen und unerklärlichen Fall hineingeraten, der möglicherweise alles in den Schatten stellte, was sie bisher durchgemacht und erlebt hatten.
Außerdem gratulierte sie sich dazu, dass John Sinclair und Suko morgen hier eintreffen würden. Wenn sie da waren, dann sahen die Dinge schon ganz anders aus.
Mit dieser Gewissheit betrat sie ihr Wohnzimmer, ließ sich nieder und griff zum Glas, in dem sich noch Rotwein befand. Sie trank ihn in kleinen Schlucken und stellte fest, dass er ihr nicht mehr so recht schmecken wollte.
Auch sie war von den Vorgängen beeinflusst worden und fragte sich, was dahintersteckte.
Eine Antwort würde sie nicht finden, auch wenn sie den Rest der Nacht darüber nachgrübelte…
***
Wir hatten es uns angewöhnt, auch während kurzer Flugzeiten die Augen zu schließen und ein Schläfchen zu machen. Das hatten wir auch der Flugbegleiterin erklärt, und so wurden wir in Ruhe gelassen, denn auf die gereichten Getränke oder auf einen Snack konnten wir gut und gern verzichten. Sich auszuruhen, wann immer es möglich war, war wichtiger. Und wir hatten es beide im Laufe der Jahre gelernt, zu einem bestimmten Zeitpunkt wieder aufzuwachen.
Das passierte bei uns fast gleichzeitig, und da schwebten wir bereits über Dundee. Der Airport wurde nicht eben stark frequentiert, man konnte ihn als Provinzflughafen bezeichnen, anders als die großen Brüder in Glasgow oder Edinburgh.
Suko grinste mich von der Seite her an. »Na, wie ist es?«
»Ich hätte noch länger schlafen können.«
»Da sieht man, dass du alt wirst.«
»Meinst du?«
»Ich bin topfit.«
»Ich ebenfalls.«
Beide lachten wir und wartete darauf, dass der Flieger aufsetzte, was auch bald darauf geschah. Vor uns saß ein Mann, der ständig nieste und dabei mit sich selber sprach. Auch dann noch, als die Maschine schon ausgerollt war.
Maxine Wells hatte versprochen, uns abzuholen, und dieses Versprechen hielt sie auch ein. Sie sah uns eher als wir sie, aber dann sahen auch wir ihr heftiges Winken.
Aber sie konnte mich erst in ihre Arme schließen, als wir unser Gepäck geholt hatten.
Suko, der daneben stand, schüttelte nur den Kopf und meinte: »Himmel, ist das eine Begrüßung.«
»Wir haben uns auch lange nicht mehr gesehen«, sagte Maxine lachend.
»Das habe ich bemerkt.«
Auch Suko wurde begrüßt, nur nicht so intensiv
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