1533 - Das Tarot-Rätsel
war schon faszinierend, wie sich die Gestalt auflöste und zu dem zurückkehrte, was sie als Mensch in sich aufgesaugt hatte. Das kalte Licht der Sterne, denn sie wurde zu Licht.
Sie explodierte förmlich. Unzählige Teilchen jagten in alle Richtungen davon. Sternenstaub, der schimmerte, der das Licht abgab, das er zuvor eingefangen hatte.
Wir erlebten so etwas wie ein kleines Wunder am Himmel oder unter der Decke, die sehr schnell wieder normal vor uns lag, ebenso wie der Tisch mit seiner polierten Oberfläche.
Dennoch konnte man hier nicht von einer normalen Decke sprechen. Sie zeigte ein Muster aus Sternen und blieb weiterhin die Basis für eine Rückkehr der Ethel Brown.
Keiner sprach ein Wort. Wir mussten zunächst mit dem fertig werden, was wir erlebt und gehört hatten. Für Suko und mich war das auf eine gewisse Weise normal. Weniger für Simon Braddock, den jungen Kollegen. Er war bis zur Tür zurückgewichen, lehnte rechts neben ihr an der Wand und schüttelte immer nur den Kopf.
»Hallo«, sagte ich.
Er reagierte nicht. Sein Gesicht zeigte einen Ausdruck, als wäre er in Gedanken versunken, die alles andere als positiv waren. Erst als ich ihn antippte, schreckte er hoch.
»Mr Sinclair?«
»Ja, wer sonst?«
»Haben Sie das alles gesehen?«
»Habe ich.«
»Dann war es kein Traum?«
»Nein.«
Simon Braddock senkte den Blick. »Niemals«, flüsterte er, »niemals hätte ich so etwas für möglich gehalten. Das ist einfach nicht zu fassen. Da - da eröffnen sich ganz neue Welten.«
»Richtig.«
»Und die sind nicht gut für uns - oder?«, flüsterte er.
Ich hob die Schultern an, während ich Sukos Schrittechos lauschte, denn er drehte seine Runden in diesem Raum.
»Stimmt es, dass sie uns holen will?«
Ich sah keinen Grund, ihm nicht die Wahrheit zu sagen, und nickte deshalb.
Er schluckte. Er schaute zu Boden. Er sah aus wie jemand, der friert, und endlich hatte er sich dazu durchgerungen, mir eine Antwort zu geben.
»Ich habe Angst, Mr Sinclair. Bitte, lachen Sie mich jetzt nicht aus, aber das ist so. Angst, die reine Angst um mein Leben. Ich habe sie gesehen, sie ist so stark, und wenn sie will, kann sie die Welt aus den Angeln heben.«
Ich winkte ab. »Ganz so schlimm ist es nicht«, sagte ich und wollte ihn damit beruhigen. »Dass Sie Angst haben, kann ich verstehen. Auch mir ist nicht wohl bei der Sache.«
»Danke.« Er lachte plötzlich. »Dabei habe ich Sie immer für einen so tollen Supermann gehalten, der…«
»Vergessen Sie es. Auch Geisterjäger sind nur Menschen. Das muss man so sehen.«
Suko hatte seinen Rundgang beendet. Er blieb neben uns stehen und hob die Schultern.
»Nichts, John«, sagte er mit leiser Stimme. »Ich habe nichts gesehen.«
»Okay, das war klar.«
»Aber es muss weitergehen.«
»Sicher, und wir werden dieses ungastliche Haus verlassen, denke ich.«
Konstabler Braddock krallte seine Hand in meiner linken Schulter fest.
»Ob sie draußen vielleicht auf uns wartet?«
Ich konnte ihm leider keine Antwort geben, die ihn zufriedengestellt hätte.
»Das kann ich Ihnen, nicht sagen, Könstabler. Es ist möglich, muss aber nicht sein.«
»Und wenn doch?«
»Werden wir sehen, was sich machen lässt.«
»Dann glauben Sie noch an sich?«
»Es wäre schlimm, wenn es nicht so wäre.«
Er konnte wieder lächeln. Zumindest eine Andeutung davon, und ich sah keinen Grund, noch länger hier im Haus zu verweilen.
»Dann wollen wir mal«, sagte ich.
»Und wohin?«, flüsterte Braddock.
»Zuerst mal raus. Dann sehen wir weiter.« Die Antwort hatte optimistisch geklungen. Ich gab zu, dass ich mich ein wenig verstellt hatte, denn ganz so wohl war mir nicht zumute…
***
Wir rechneten mit einer Veränderung und waren auch dementsprechend vorsichtig, als wir nach draußen traten, doch die Welt um uns herum hatte sich nicht verändert, und es gab niemanden, der uns hätte angreifen wollen.
Suko und ich standen nebeneinander.
Braddock hielt sich hinter uns, und wir hörten sein schweres Atmen. Die Bäumen standen so, wie wir sie kannten, und wir sahen auch die Figur der Hohepriesterin in der Nähe, die in Richtung Tür schaute und jetzt so wirkte, als würde sie uns in die Gesichter sehen.
»Normal«, murmelte Suko.
»Was meinst du?«
»Die Skulptur.«
»Womit hast du denn gerechnet?«
Er hob die Schultern. »Eigentlich mit allem«, gab er zu. »Sogar damit, dass sie ihre Starre verliert und lebt.«
»Das will ich nicht hoffen.« Ich runzelte nachdenklich
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