1534 - Weg der Verdammten
nicht hier bleiben können.«
»Ich weiß.«
»Und haben Sie eine Idee, wo Sie…«
»Nein, die habe ich nicht.«
»Gibt es hier Verwandte und Freunde, die Ihnen helfen könnten?«
»Ich bin fremd hier. Wir alle drei waren es. Wir haben hier einen Traum verwirklichen wollen, aber daraus ist nichts geworden. Nur ich lebe noch, und ich möchte auch tot sein.«
»Sagen Sie das nicht«, hielt ich ihr vor. »So leicht wirft man sein Leben nicht weg.«
»Was soll ich denn machen?«
»Erst mal möchten wir Sie in Sicherheit bringen, Claudine. Sie sind eine Zeugin, und Sie sind deshalb sehr wichtig für uns.«
»Er kommt zurück«, flüsterte sie. »Ja, verdammt, er kommt zurück. Das spüre ich. Er will keine Spuren hinterlassen. Er will mich töten und…«
»Warum sollte er das?«, fragte ich. »Er hätte Sie sicherlich auch töten können, denn er war bestimmt auch über Sie informiert.«
»Aber ist das möglich? Er war doch kein Mensch. Wie kann ein solches Monster über mich informiert sein?«
»Er könnte Helfer haben. Oder glauben Sie, dass ein Skelett Ihnen das Geld gegeben hat?«
»Nein, das kann ich mir nicht vorstellen.«
»Wir werden versuchen«, sagte ich, »die Helfer dieser Gestalt zu finden.«
»Hier?«
»Natürlich. Wo sonst?«
Claudine sagte nichts mehr. Sie blieb im Sessel sitzen und verschränkte die Arme vor der Brust. Dabei hörten wir ihr leises Weinen und hofften, dass es sie erleichterte.
Ich drehte mich zu Godwin um. »Wir könnten sie in dem kleinen Hotel an der Stadtmauer unterbringen, denke ich.«
»Daran habe ich auch schon gedacht.«
Es war das Haus, in dem auch wir wohnten, und als Godwin den Vorschlag machte, da hob Claudine nur die Schultern. Ihr war inzwischen offenbar alles egal.
Es gefiel mir zwar nicht, die Leichen hier liegen zu lassen, aber ich dachte daran, dass die Zeit drängte. Hier war ein Monster unterwegs, und ich wollte es so schnell wie möglich stoppen, denn ich ging davon aus, dass es bereits alle Vorbereitungen abgeschlossen hatte.
Godwin half Claudine beim Aufstehen. Sie tat sich schwer, aus dem Sessel zu kommen, und zitterte noch immer. Auch vermied sie den Blick auf die beiden Betten.
Der Templer fragte sie noch danach, ob sie ein paar Sachen zusammenpacken wollte.
»Nein, das will ich nicht. Ich will nur weg von hier!«
»Gut.«
Wir verließen die umgebaute Scheune. Lange hatten wir uns nicht in ihrem Innern aufgehalten, und doch hatte die Zeit ausgereicht, dass sich das Wetter veränderte. Der Himmel zeigte nicht mehr die blasse Bläue.
Wolken waren aufgezogen. Der Wind war aufgefrischt und fuhr wie ein gewaltiger Besen über die Landschaft hinweg.
Claudine setzte sich auf den Rücksitz des BMW. Beim Einsteigen stellte ich ihr eine Frage.
»Kannten Sie Alain Roi näher?«
»Nein. Wie man einen kennt, der hier im Ort lebt. Ich habe nie ein Wort mit ihm gewechselt.«
»Danke.«
Ich stieg ein, schloss die Tür, und wenig später fuhr der Templer an.
Keiner von uns zeigte einen entspannten Gesichtsausdruck, denn wir wussten, dass noch einiges auf uns zukommen würde…
***
Der Wind wehte um das alte Gemäuer, das zwar nicht hoch über dem Ort stand, aber immerhin so hoch, dass man von seinem Platz auf die Ansiedlung hinabschauen konnte.
Hier war alles anders. Es gab keine Menschen, es gab keine Stimmen, es gab einfach nur die Einsamkeit, das Jammern des Windes und die alten Steine, aus denen die Komturei bestand.
Sie war längst nicht mehr bewohnt. Die große Zeit lag Hunderte von Jahren zurück, aber es gab sie, und es gab auch noch das, was in ihr steckte und nicht vergehen wollte.
Ein unheilvoller Geist lauerte hier und schien sich mit dem Wind und der allmählich einsetzenden Dämmerung verbündet zu haben.
Der Durchgang war noch so vorhanden wie damals. Er führte bogenförmig unter zwei dicht zusammenstehenden Türmen hindurch in einen Innenhof.
Und wer an diesem Tag dort seinen Fuß hineingesetzt hätte, der hätte schon starke Nerven haben müssen, denn das Bild, das sich ihm bot, erinnerte an die Kulisse eines Horrorfilms.
Das war nicht von allein entstanden. Es gab einen Mann, der diese Szenerie geschaffen hatte. Einen Menschen, der in alles eingeweiht worden war und der jetzt darauf setzte, dass alles so eintraf, wie es besprochen worden war.
Der Mann ging noch mal über den Innenhof. Noch war die Dämmerung im Anfangsstadium, und trotzdem gab es schon tiefe Schatten innerhalb des Innenhofs, als wären sie dort immer
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