1536 - Der Weise von Fornax
und dies spiegelte sich im Gehirnwellenmuster wider.
Dieses Fragesymbol war vielfältig zu interpretieren, aber die Aussage war klar: Das Kind wollte wissen, was der Grund für eine Fortsetzung seiner erzwungenen Inkubation war.
Und dem Schiff oblag es, die komplizierte Materie, den ganzen Komplex um die Nocturnen, auf eine einfache, dem Kind verständliche Formel zu bringen. Eine Aufgabe, die nach syntronischem Ermessen unlösbar sein mußte, Doch wiederum stellte sich ein überraschender Erfolg ein. Das Schiff konnte nicht exakt erkennen, ob das Kind die komplizierten, hyperdimensionalen Vorgänge wirklich verstand. Aber nachdem es dem Kind Reflexionen der Passagesymbole und vergleichende Hypersymbole über die drahtlose Verbindung zugespielt hatte - da zeigte es Begreifen!
Für das Schiff war es unerklärlich, wie ein Ungeborenes ohne irgendwelche hyperphysikalischen Grundkenntnisse die Gesetzmäßigkeiten der 5. Dimension begreifen konnte.
Aber die Gehirnwellenmuster des Kindes wiesen ganz eindeutig aus, daß es durch die Verarbeitung der Hyperimpulse zufriedener geworden war.
Und es stand keine Frage mehr im Raum.
Das Schiff kam zu einer unorthodoxen Schlußfolgerung. Es mußte bekennen, daß das unbelastete, von allem Wissen entledigte und durch keine Bildung belastete Gehirn eines Ungeborenen - auf das Nocturnenproblem und die 5. Dimension allgemein bezogen - viel leistungsfähiger als ein nach neuesten Erkenntnissen aufwendig konstruierter Syntron war.
In weiterer Konsequenz konnte der Syntron aus dieser Erkenntnis nur einen logischen Schluß ziehen, nämlich den, daß das Ungeborene eher in der Lage war als ein Syntron, das Nocturnenproblem zu lösen.
Das Schiff führte das Kind auf die bewährte Weise vorsichtig in die komplexe Materie ein - und ließ es dann Passagesymbole kreieren.
Es kam für das Schiff dann eigentlich nicht mehr unerwartet, daß diese Passagesymbole die gewünschte Wirkung auf Nocturnen zeigten. Sie ließen das Schiff unangetastet, so daß es sicher das Zentrum des Fornax-Systems erreichen konnte.
In der eigenen Sprache, die das Schiff für die Verständigung mit dem Ungeborenen entwickelt hatte, signalisierte es: „Wenn wir erst auf Kontor Fornax gelandet sind, dann bist du in Sicherheit. Ich habe meinen Auftrag erfüllt - und du darfst die Geborgenheit deines künstlichen Gefängnisses verlassen und die Welt der Menschen betreten."
„Ich will noch nicht!" rief das Ungeborene
2.
Der Ausbruch fand nicht statt.
Noch ehe sich die Kartanin an diesem Morgen den Schlaf aus den Augen gewischt hatten, landeten die beiden Transportplattformen LÜBECK-1 und LÜBECK-2, und ein strahlender Daniel Muhler verkündete: „Die Quarantäne ist aufgehoben. Ich habe vom Chef den Auftrag, euch zum HQ-Hanse zu bringen. Der Rat der elf Hanse-Sprecher will euch seinen Beschluß in festlichem Rahmen vortragen. Anschließend steht eine Exkursion durch das Hansekontor auf dem Programm. Danach sind Interviews mit Fornax-TV und den Fornax News geplant und eine Stadtrundfahrt, und wenn ..."
„Sachte, junger Freund", fiel Alaska Saedelaere dem Hanseangestellten ins Wort. „Das Begrüßungszeremoniell lasse ich mir gefallen. Aber den Rest könnt ihr euch schenken. Wir denken nicht daran, uns wie Touristen durch Kontor Fornax schleppen zu lassen. Wir wollen über unsere Zeit frei verfügen."
„Das kann ich nicht entscheiden", sagte Daniel Muhler unsicher. „Da mußt du dich schon an den Chef wenden."
„Und warum kümmert sich Pirmin Deix nicht persönlich um uns, wenn du als sein Stellvertreter nichts zu sägen hast?" erkundigte sich Alaska mit wachsendem Ärger. „Der Chef hat Probleme", sagte Daniel Muhler. „Was für Probleme?" hakte Alaska nach. „Geht es um die beiden flüchtigen Gurrads?"
Daniel Muhler starrte ihn mit offenem Mund an. „Flüchtige Gurrads - wie kommst du darauf? Nein, es geht um die Siganesen. Mehr darf ich dazu nicht sagen.
Seid ihr in einer Stunde reisefertig?"
„In einer Stunde", stimmte Alaska zu. „Du kannst Pirmin Deix inzwischen schon bestellen, daß wir den geplanten Rummel nicht mitmachen werden."
Daniel Muhler stotterte eine Zustimmung und verschwand. Alaska Saedelaere beobachtete, wie er sich in Richtung der kartanischen Unterkünfte begab, und mußte grinsen, weil er sich vorstellte, wie Sey-Nia-M’en den jungen Hanseaten in die Mangel nahm. Eine halbe Stunde später tauchte die korpulente Kartanin wie ein Racheengel im terranischen
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