1539 - Im Wald der Wölfe
sich sein Gesicht zu verändern. Es wurde größer.
Haare sprossen hervor, und auf seinen Wangen entstand ein Pelz. Seine Kleidung war weit genug, um die Verwandlung nicht zu beeinträchtigen.
Sie riss auch nicht, und so blieb der Werwolf weiterhin unter dem Stoff verborgen.
Nicht der Kopf.
Da gab es nur noch wenig Menschliches. Das meiste war bereits durch die andere Kraft verändert worden. Eine Schnauze, die nach vorn geschoben war, mit einem kräftiges Gebiss. Schmale Augen, die leicht schräg standen und deren Pupillen jetzt auch anders aussahen. Sie waren jetzt gelb und funkelten in einer Kälte, die nicht zu beschreiben war.
Er stand auf seinen Beinen. Er schaute auf die Hände, die sich ebenfalls verändert hatten. Sie waren zu Pranken geworden, die sich überall festkrallen konnten.
Er war so weit.
Er wollte Blut.
Das Tier in ihm hatte gewonnen, und mit wilden Bewegungen drosch er seine Pranken immer wieder gegen den Baumstamm, wobei Rindenstücke abgerissen wurden und irgendwo landeten.
Dann heulte er auf.
Es war so etwas wie ein Startsignal für ihn. Das Menschliche war vergessen. Der Trieb hatte gewonnen, und dem wollte er feie Bahn lassen. Noch befand er sich im Wald. Das würde er ändern. Die Menschen hielten sich nicht hier auf, sondern außerhalb, und in dieser Nacht wollte er sein erstes Opfer reißen…
***
Ted Franklin hatte kein gutes Gefühl, als er die Arbeiter hinter sich zurückgelassen hatte. Der Wald war ihm fremd, das musste er zugeben.
Nicht mal als Kind war er tief in ihn eingedrungen. Er hatte immer auf die Warnungen der Erwachsenen gehört, aber jetzt blieb ihm nichts anderes übrig. Er musste hinein, auch wenn ihm das nicht gefiel, aber eine andere Möglichkeit sah er nicht.
Ein Vorteil lag auf seiner Seite. Er war bewaffnet. Er würde sich wehren können. Auch wenn er die Pistole noch niemals eingesetzt hatte, in diesem Fall würde er es tun, wenn ihm eine Kreatur begegnen würde.
Und sie würde kommen, davon ging er aus. Nicht grundlos nannte man dieses Gebiet den Wald der Wölfe. Ob sich in all den vergangenen Jahren die Tiere hier aufgehalten hatten, wusste er nicht mit Bestimmtheit, aber man hatte es sich hinter vorgehaltener Hand erzählt.
Wichtig war für ihn einzig und allein Brett Mahony. Er hatte sich in der Zelle verwandelt. Bei ihm war also der Keim gelegt worden. Von einem Wolf.
Aber wer war dieser Wolf?
Bei diesem Gedanken stand plötzlich das Bild der schönen Karen Foster vor seinen Augen. War sie wirklich die Person, der man so etwas zutrauen konnte?
Er wollte es nicht glauben. Dass sich eine junge Frau in ein so bösartiges Tier verwandeln konnte, das war ihm einfach zu hoch. Aber ihr Verhalten ihm gegenüber war so ungewöhnlich gewesen, und danach wollte er sich richten, auch wenn es ihm schwerfiel.
Um ihn herum waren nur Bäume. Hohe und stumme Wächter mit einem ausladendem Geäst, das sich über seinem Kopf traf und so etwas wie ein Dach bildete. Darüber schimmerte ein Himmel durch die kahlen Äste, der nur noch wenig Klarheit zeigte, dafür unzählige Wolken, die alles zu erdrücken schienen.
Er hatte sich vorgenommen, leise zu gehen. Das war nicht möglich. Das Laub lag zu hoch. Jedes Mal schleuderten die Füße Blätter in die Höhe, die davon wirbelten und sich an einer anderen Stelle mit dem übrigen Laub vereinigten.
Je tiefer Ted Franklin in den Wald hineinging, umso verlassener kam er sich vor. Es schien alles hinter ihm zu liegen, was das normale Leben ausmachte. Jetzt gab es nur noch die Stille und eine unsichtbare Gefahr, von deren Existenz der Mann überzeugt war.
Er schaute nach vorn. Er war dazu ausgebildet worden, sofort reagieren zu können, wenn irgendetwas Ungewöhnliches geschah, aber da tat sich nichts. Die Stille um ihn herum blieb erhalten. Er sah keine fremde Bewegung. Es gab auch kein Tier, das in seiner Nähe vorbeigehuscht wäre, die Umgebung schwieg, was ganz natürlich war. Manchmal hatte er das Gefühl, als würde der Wald den Atem anhalten. Aber dann strich wieder der schwache Wind durch die Kronen der Bäume.
Er wanderte weiterhin durch das Laub, das viele Unebenheiten auf dem Boden verbarg. So war es kein Wunder, dass er hin und wieder stolperte und auch das Gleichgewicht verlor, aber er fiel nicht hin und vertrat sich auch nicht den Fuß.
Der Konstabler gelangte an eine Stelle, an der die Bäume noch dichter beisammen wuchsen. Hier hatte der Sturm kaum Schäden hinterlassen.
Ted Franklin war froh, eine
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