1539 - Im Wald der Wölfe
einer Umgebung, die alles andere als dafür geschaffen war.
Es fiel Ted Franklin gar nicht auf, dass er seine Waffe sinken ließ. Er konnte nur immer wieder den Kopf schütteln.
»Wer bist du?«
»Du kennst mich doch.«
»Aber - nein«, er schüttelte den Kopf. »Das ist der reine Wahnsinn. Das kann ich nicht glauben.«
»Warum nicht?«
»Was hast du denn mit den Wölfen zu tun?« Er hatte die Frage mit einer schon weinerlich klingenden Stimme gestellt, und auch jetzt hörte sein Kopf schütteln nicht auf.
»Sag nicht, dass du mich nicht kennst, Ted.«
»Doch. Jeder kennt dich hier. Aber - aber - was hast du mit dieser Kreatur zu tun.«
»Sie ist mein Geschöpf.«
»Wie?« Er war so überrascht, dass ihm eine weitere Frage nicht über die Lippen kam.
»Ich habe ihn dazu gemacht.«
»Nein!«
Sie lächelte jetzt. »Doch…«
»Und wie?«
»Durch einen Biss«, erklärte sie. »Ich habe ihn angefallen und ihn gebissen. Ich habe bei ihm den Keim gelegt. Nur durch mich ist er zu dem geworden, was du da vor dir siehst.«
»Und was ist mit dir?«, flüsterte er nach einer Weile. »Ich - ich - sehe nicht, dass du zu den Werwölfen gehörst. Du - du - bist doch kein Wolf.«
Er stotterte sich die Antwort zurecht.
»Das bin ich auch nicht.«
»Und was bist du dann?«
»Eine Wölfin, Ted. Ich bin eine Werwölfin. Wir kommen nicht oft vor, aber es gibt uns, und das wird auch für alle Zeiten so bleiben. Darauf kannst du dich verlassen.«
Er hatte das Geständnis gehört, doch er konnte es sich immer noch nicht vorstellen. Diese Frau sah so wunderbar aus. Sie hatte allen Männern im Ort den Kopf verdreht. Und nun dieses Geständnis, das er trotz ihrer klaren Worte nicht fassen konnte.
Was tun?
Er hatte noch immer die Waffe. Aber sollte er damit auf sie schießen?
Außerdem hatte sie ihm gesagt, dass seine Kugeln nichts brachten, und deshalb fragte er: »Warum können Kugeln ihn nicht töten?«
»Kennst du nicht die Regeln?«
»Nein.«
»Um einen Werwolf zu töten, muss das Geschoss aus geweihtem Silber sein.«
Diese Antwort sagte ihm etwas. Darüber musste er auch nicht lange nachdenken, denn er hatte genügend Horrorfilme gesehen.
Er erinnerte sich, dass Vampire und Werwölfe unter anderem mit geweihtem Silber vernichtet werden konnten. Aber diese Kugeln steckten nicht in seiner Waffe. Da musste er passen.
Woher er den Mut für die nächste Frage nahm, wusste er selbst nicht, aber er stellte sie.
»Und was ist, wenn ich auf dich schieße?«
»Du kannst es ruhig versuchen.«
»Wirklich?«
»Ja.«
Es war verrückt, und Franklin wusste nicht, wie er dazu kam, seine Pistole anzuheben. Es geschah irgendwie von selbst, und es kam ihm alles so leicht vor. Er musste nur abdrücken.
»Hast du es dir überlegt?«, fragte sie mit einem geringschätzigen Lächeln auf den Lippen.
»Ja.«
»Ich auch.«
Was das bedeutete, bekam er in der folgenden Sekunde zu spüren. Er hörte noch ein Geräusch, das Ähnlichkeit mit einem Zungenschnalzen hatte, sah, dass Karen die Arme ausbreitete, und erlebte den Aufprall in seinem Rücken.
Das Schnalzen mit der Zunge war ein Signal für den angeschossenen Werwolf gewesen, der seine Gestalt mit voller Wucht gegen den Rücken des Konstablers wuchtete und ihn zu Boden schleuderte.
Diesmal fiel Ted Franklin auf den Bauch, und seine Chancen verringerten sich noch mehr, denn seine Pistole steckte mit der Mündung tief im Laubteppich…
***
Zum Glück gab es weder Dunst noch Nebel, als wir unser Ziel erreichten. Es wäre uns schon lieber gewesen, wenn sich noch die normale Helligkeit ausgebreitet hätte. Stattdessen mussten wir uns mit der einsetzenden Dämmerung herumschlagen, was die Lage nicht eben vereinfachte.
Auf dem Weg in den Wald waren uns noch die letzten Holzfäller begegnet. Wir waren bis dorthin gefahren, wo einige Baumstämme lagen, die man aus dem Wald geholt hatte.
Es gab keine normalen Wege in den Wald hinein, sondern nur Schneisen, und die waren von den Waldarbeitern in den dichten Wald hineingeschlagen worden.
Das würde auch unser Weg werden. Suko war schon einige Meter vorgegangen und wartete am Waldrand auf mich. Als ich neben ihm stand und ebenfalls in diese düstere Welt starrte, sagte er das, was auch ich dachte.
»Es wird nicht leicht werden. Hier kann sich eine halbe Armee verstecken.«
»Wir geben nicht auf - oder?«
»Jetzt erst recht nicht.«
Was wollten wir finden? Spuren, die auf einen Werwolf hinwiesen. Noch besser wäre es gewesen,
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