1539 - Im Wald der Wölfe
Wolf. Als ein bestimmter Wolf, den die Menschen nicht als normal ansehen.«
»Wieso?« Bei diesem einen Wort zitterte die Stimme des Mannes.
»Ein Werwolf hat dich gebissen, mein Freund. Nein, es war eine Werwölfin.«
»Du?«, keuchte er.
»Ja, ich!«
Mahony hatte ein Geständnis gehört, aber er wusste nicht, was er damit anfangen sollte. Es war für ihn wie ein Tief schlag gewesen. Er wusste genau, was es für ihn bedeutete, nur das Akzeptieren fiel ihm so verdammt schwer.
In seinem Kopf rumorte es. Er schaute in die Höhe, er sah auch diese Frau, doch er musste sich eingestehen, dass sie vor seinen Augen verschwamm. Sein Blick war längst nicht mehr so klar wie sonst. Er wollte noch etwas fragen.
Sie kam ihm zuvor und flüsterte ihm zu: »Ich werde dich jetzt allein lassen, aber wir sehen uns bald wieder. In dieser Nacht gehört der Wald der Wölfe uns…«
Sie sagte nichts mehr. Mit einer geschmeidigen Bewegung drehte sie sich um und ließ Brett Mahony allein, der sich wünschte, einen Traum erlebt zu haben und doch davon ausgehen musste, dass dies leider nicht der Fall war…
***
Wie lange es dauerte, bis er sich wieder einigermaßen gefangen hatte, wusste er nicht.
Die Zeit der Dämmerung war angebrochen, und ihr würde bald die Dunkelheit folgen. Wenn das geschehen war, dann würde alles anders aussehen. Dann wurde der Wald für ihn zu einer finsteren Falle.
Er musste ihr entkommen! Raus aus der Mulde!
Es wäre leicht gewesen, aber Brett Mahony fühlte sich einfach nicht in der Lage, die Mulde locker zu verlassen. Er hatte seine Probleme damit.
Wenn er in die Höhe kommen wollte, musste er sich irgendwo abstützen.
Er versuchte es. Das Laub gab unter seinen Händen nach, und so sackte er zurück in die Tiefe.
Wenig später hatte er sich wieder gefangen. Er kroch durch das Laub auf den Rand zu, um sich dort in die Höhe zu ziehen, was ihm nur unvollständig gelang.
Zweimal rutschte er ab. Danach hatte er es geschafft.
Das Brennen in der verdammten Wunde hatte wieder zugenommen.
Flüche drangen aus seinem Mund. Er glitt mit dem Gesicht über das Laub hinweg, spie Blätter und Erde aus und kämpfte sich schließlich hoch bis zum Muldenrand, über den er sich letztendlich hinwegschieben konnte.
Ausgestreckt blieb er auf dem Boden liegen. Vieles jagte durch seinen Kopf. Aber ein Gedanke hob sich besonders hervor. Er musste daran denken, dass er gebissen worden war und der Keim in ihm steckte. Den konnte er nicht mehr loswerden.
Um sich zu retten, musste er raus aus dem Wald, und das so schnell wie möglich. Das schaffte er nicht kriechend, und so sah er zu, dass er wieder auf die Füße kam.
Normalerweise kein Problem. In diesem Fall schon. Ein Teil der Kraft hatte seinen Körper verlassen. Es war ihm nicht möglich, normal aufzustehen, er musste kämpfen, er hörte sich keuchen und benutzte einen nahe stehenden Baum als Hilfe.
So gelangte er auf die Füße.
Er blieb stehen. Ein Ast gab ihm den nötigen Halt. In seinem Kopf drehte es sich, und auch die Welt um ihn herum schien sich in Bewegung zu befinden. Der Schwindel wollte nicht weichen. Immer wenn er dachte, es gepackt zu haben, kehrte er wieder in Wellen zurück, aber es riss ihn nicht zu Boden, und das war schon mal gut.
Mahony hatte nicht darauf geachtet, wie weit er in den Wald hineingelaufen war. Es war über ihn gekommen, er hatte einfach weg gemusst.
Um ihn herum herrschte eine Stille, wie sie für den Wald unnatürlich war.
Nicht mal der Schrei eines Vogels war zu hören.
Seine Kollegen hatten längst Feierabend gemacht. Es war einfach zu gefährlich, in der Dämmerung zu arbeiten. Sie saßen jetzt bestimmt schon beim Bier, nach dem er sich auch sehnte. Dafür musste er aber den Wald verlassen, und das würde nicht leicht sein.
Etwas rann durch seine Adern wie heißes Wasser. Es war urplötzlich passiert, und er hatte damit nicht rechnen können. Die Hitze schoss in seinen Kopf. Das Brennen blieb, und er hatte das Gefühl, sein Körper stünde in Flammen.
Er fiel auf die Knie und schüttelte sich. Mit beiden Händen klammerte er sich am Baumstamm fest. Sein Kopf schwankte von einer Seite auf die andere. Der Mund stand weit offen, und er hatte das Gefühl, als würden unzählige Hände an ihm zerren, um ihm die Haut vom Leib zu reißen.
Das Keuchen hielt zwar an, aber es veränderte sich. Was jetzt aus seine Kehle drang, war ein tiefes Knurren, und ein derartiges Geräusch konnte nur ein Tier erzeugen.
Zugleich begann
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