154 - Die Macht der Nosfera
halten zu können, musste aber einen Blick unter ihre tief in die Stirn gezogenen Kapuzen werfen, bevor er sie gezielt ansprechen konnte. Trotz des bewölkten Himmels bedeckten die Mutanten jeden Zentimeter ihrer lichtempfindlichen Haut mit Kleidung, um sich vor der Sonnenstrahlung zu schützen.
»Vielen Dank für eure Hilfe«, ergriff Radek das Wort. »Es tut gut, ein paar bekannte Gesichter in diesem fremden Land zu sehen. Wir hatten eigentlich gehofft, mit der gleichen Flugplatte nach Moska zurückzukehren, die uns an die Front gebracht hat, aber wir halten schon seit Tagen vergeblich nach den stählernen Maschinen der Technos Ausschau. Alles was wir fanden, waren verlassene Schrotthaufen am Wegesrand. Ihr seid die ersten Verbündeten, die uns auf dem Marsch nach Hause begegnen. Mir scheint beinahe, ihr wurdet genauso im Stich gelassen wie wir.«
Der Vorwurf in der Stimme des Nosfera war kaum zu überhören. Mr. Black konnte den Groll gut nachvollziehen. Die tief ins Feindesland eingesickerten Nosfera hatten überall an vorderster Front gegen die Daa'muren gekämpft und einen entsprechend hohen Blutzoll gezahlt, nur um anschließend festzustellen, dass sich niemand um ihre Rückkehr kümmerte.
Im allgemeinen Chaos hatte sie bisher noch niemand über die allgemeine Lage aufklären können. Wie auch? Es hatte ja niemand vom anderen gewusst, wo er sich aufhielt. Angesichts der lang auseinander gezogenen Front konnten Tausende Heimkehrer Richtung Westen stolpern, ohne sich dabei je über den Weg zu laufen.
»Es gab eine gewaltige Explosion«, antwortete Mr. Black.
»Nicht so groß, wie alle befürchtet haben, doch immerhin stark genug, um unsere Technik für immer unbrauchbar zu machen, und damit auch jede Funkverbindung. Wir müssen alle aus eigener Kraft nach Hause gelangen.«
Der Meerakaner fühlte ein leichtes Prickeln unter der Kopfhaut, während ihn die Nosfera schweigend musterten. Es dauerte einen Moment, bis ihm klar wurde, dass die beiden geübten Telepathen sein Gedächtnis ausforschten, um den Wahrheitsgehalt seiner Worte zu überprüfen. Der Gedanke daran, dass gerade sein Innerstes nach außen gestülpt wurde, bereitete ihm Übelkeit. Andererseits gab es keinen besseren Weg, die beiden von seiner Aufrichtigkeit zu überzeugen.
Insofern ließ er sie stumm gewähren.
»Ah, so ist das.« Navok zuckte zusammen, als würde er vor einem grauenvollen Bild zurückschrecken. »Was du als Explosion bezeichnest, ist eine riesige Sonne, die zum Himmel wächst.«
»Ein Atompilz, ja, das kommt wohl hin.«
»Die Zeit, in der die Sonne wieder wächst«, flüsterte Radek ergriffen, »sie konnte gerade noch rechtzeitig abgewendet werden.«
Mr. Black erinnerte sich: Für die Nosfera war Projekt Daa'mur Teil einer mystischen Prophezeiung, die sie schon seit Jahren verfolgte.
»Sicher ist es Aiko zu verdanken, dass die Sonne nicht zu voller Größe erblühen konnte«, sagte Navok plötzlich. »Als Graz und ich ihn am Kratersee verließen, bereitete er gerade den entscheidenden Schlag gegen die Echsenmänner vor.«
Dem sensiblen Telepathen fiel sofort auf, dass Miss Hardy bei dem Namen Aiko zusammenzuckte. Einen Moment lang sah er sie an und erforschte sie, dann nickte er kaum merklich, ganz so, als ob er Trauer empfände.
»Gräme dich nicht«, sagte er schließlich. »Mag sein, dass Aiko nicht mehr derselbe war, den du einst gekannt hast. Doch er war immer noch ein Mann von Ehre, der sich für all seine Freunde aufopfern wollte. Das Schicksal hat ihm zu dem gemacht, was er am Ende war, solch einem Schicksal kann kein Mensch entgehen. Behalte ihn so in Erinnerung, wie du ihn am liebsten hattest.«
Die Augen der jungen Frau füllten sich mit Tränen. Ihr dunkles Gesicht begann zu zittern.
»Er hat also noch gelebt?«, fragte sie heiser. »Aber wenn er am Kratersee zurückgeblieben ist, dann…«
»Die neue Sonne hat ihn verbrannt, da bin ich mir ganz sicher.«
Navoks offene Einschätzung versetzte ihr einen Schlag.
Abrupt wandte sie sich um und ging davon, um mit ihrem Schmerz alleine zu sein. Wer wollte es ihr verdenken? Nur Mr. Hacker eilte hinterher, um sie zu trösten.
»Niemand weiß, was Aiko wirklich verhindern konnte«, sagte Mr. Black, sobald er sie außer Hörweite wusste. »Das Scheitern der Daa'muren hat wohl viele Väter.«
Navok hob nur die Schultern, zum Zeichen, das es müßig war, über dieses Thema zu diskutieren. »Deinen Gedanken entnehme ich, dass du uns vorschlagen willst, gemeinsam
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