154 - Schloß der tausend Schrecken
ein. Terence Lockridge jedoch wälzte sich schlaflos hin und her. Das Schloß war voll unheimlicher Geräusche. Als er endlich sanft hinüberdämmerte, vernahm er dumpfe Trommelschläge. Eva-Maria hörte sie nicht. Sie schlief fest, schnarchte sogar ein bißchen.
Die Trommelschläge hallten in der finsteren Bucht des Schloßhofs. Terence Lockridge glaubte, jemanden schluchzen zu hören. Er wandte den Kopf zum Fenster, das einen Spalt breit offen war, konnte sich aber nicht dazu aufraffen, das Bett zu verlassen.
Was passierte dort unten?
Holz knarrte, und dann fragte jemand rauh: »Hast du noch einen letzten Wunsch?«
»Ich bin unschuldig. Ihr dürft mich nicht hängen, das ist Mord!«
schluchzte eine junge Stimme verzweifelt. »Ich habe nichts getan!«
»Du hast noch Zeit für ein kurzes Gebet.«
Der Galgen, dachte Terence Lockridge schaudernd. Sie hängen einen Unschuldigen auf.
»So hört mich doch an!« jammerte der Delinquent.
»Möge die Gerechtigkeit ihren Lauf nehmen.«
»Mörder!« wimmerte der junge Mann. »Ihr gottverfluchten Mörder!«
Terence Lockridge hörte ein lautes Poltern und zuckte heftig zusammen. Die Falltür! dachte er. Plötzlich wirkte in dieser unheimlichen Nacht selbst die Stille wie ein verzweifelter Schrei. Sie haben es getan! ging es Terence Lockridge durch den Kopf. Mein Gott, sie haben es wirklich getan!
Ob er Eva-Maria wecken sollte?
Sie haben hier einen eigenen Friedhof! dachte Lockridge nervös.
Dort können sie jeden verschwinden lassen.
Er konnte nicht länger im Bett bleiben, stand auf, ohne daß seine Frau wach wurde, und schlich mit zaghaften Schritten zum Fenster.
Als er die Hand ausstreckte, fiel ihm auf, daß sie zitterte.
Er öffnete das Fenster und beugte sich hinaus, um zum Galgen hinzusehen. Sein Puls beschleunigte, als er den Toten am Galgen hängen sah.
Wer hängt dort? fragte sich Lockridge erregt. Einer von uns? Er mußte sich Gewißheit verschaffen. Hastig zog er sich an und verließ das Zimmer. Eva-Maria drehte sich auf die andere Seite und schnarchte herzhaft.
Eine seltsame, fremde Stille lastete in der Dunkelheit. Lockridge begab sich zur Treppe und stieg die Stufen hinunter.
Er glaubte, jemandes Blick auf sich zu spüren, oder bildete er sich das nur ein? In der Halle blieb er kurz stehen. Er war versucht, umzukehren, aber dann gab er sich einen entschlossenen Ruck und ging weiter.
Im Schloß der Tür steckte ein riesiger Eisenschlüssel. Den drehte Lockridge zweimal, und kurz darauf blies ihm der kühle Nachtwind ins Gesicht.
Die Dunkelheit schien mit Gefahren gespickt zu sein. Sie klammerte sich an ihn wie ein schwerer Mantel, der ihn zu Boden drücken wollte.
Gespannt schritt er durch den Schloßhof. Wahrscheinlich war es der gleiche Weg, den vor ihm der unglückliche Delinquent gehen mußte.
Tausend Augen schien die Nacht zu haben. Lockridge warf während des Gehens immer wieder einen Blick zurück. Er wußte, daß ihn nur noch ein Mauervorsprung vom Galgen trennte.
Ihm wurde die Kehle eng, aber er blieb nicht mehr stehen. Wenn er sich so weit vorgewagt hatte, durfte er nicht mehr kneifen.
Er machte den entscheidenden Schritt und hielt dabei die Luft an.
Sein Blick richtete sich auf den Galgen, auf die Plattform, auf das Balkengerüst – und im nächsten Moment stieß er die Luft geräuschvoll aus.
Der Galgen war leer!
Eine leere Schlinge baumelte im Wind, die Falltür war geschlossen. Es gab keinen Toten!
Die haben dich genarrt, ging es Lockridge durch den Kopf. Und du bist darauf hereingefallen.
***
Ich betrat tags darauf das Reisebüro, das die Horror-Holidays vermittelte. Auf einem Tisch stapelten sich Ferienkataloge. Griechenland, Spanien, Kanarische Inseln…
Ein Mann, der mit seinem Gesicht eher in einen Raubvogelkäfig gepaßt hätte, fragte mich nach meinen Wünschen.
»In diesem Jahr ist Griechenland sehr gefragt«, behauptete er.
»Wenn es Sie also dorthin zieht, sollten Sie schnell buchen, sonst sind die besten Angebote nicht mehr zu haben.«
»Ich bin mehr für das Motto: Bleibe im Lande und nähre dich redlich«, sagte ich und bot dem Mann ein Lakritzenbonbon an.
»Ein Patriot«, sagte der Raubvogel und wippte mit den Augenbrauen. »Ich bin sicher, wir haben auch für Sie das Passende.«
Bevor er mir sämtliche bekannten Badeorte Englands anbieten konnte, gab ich ihm einen Fingerzeig und erklärte, daß ich an einer ganz speziellen Art von Urlaub interessiert wäre.
Seine Augen fingen an zu leuchten. Er
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