1542 - Die Würgehand
aus, dass er allein überfordert war. Dass sich das Phänomen des Nebels als harmlos herausstellen würde, daran konnte er nicht glauben, und deshalb wollte er den beiden Männern Bescheid geben, die sich mit dem Fall beschäftigten.
Die Zeit, um beim Yard anzurufen, musste er sich noch nehmen. Die Nummer von Sir James Powell war ihm bekannt, und so rief er ihn an und hörte die Stimme einer Frau, die Glenda Perkins hieß.
Er meldete sich und bat, so schnell wie möglich mit Sir James verbunden zu werden.
»Ist es sehr wichtig?«
»Ja.«
»Gut, dann können Sie ihn über sein Handy erreichen. Ich gebe Ihnen die Nummer durch.«
»Danke.«
Er notierte sie. Dabei merkte er, dass seine Finger bebten und die Schrift sehr zittrig wurde. Er vergaß, sich zu bedanken, und hoffte nur, Sir James zu erreichen, und der sich mit seinen beiden Leuten in Verbindung setzen konnte, damit sie so schnell wie möglich zum Haus des Staatsanwalts kamen.
Mehr konnte er im Moment nicht tun…
***
Lydia Flagstone war eine Frau, die vom Äußerlichen her nicht auffiel, aber alles im Griff hatte. Sie war recht klein, etwas pummelig, und das kurz geschnittene Haar hatte sie blond färben lassen, weil sie das Graue nicht mochte. Der kurze Schnitt passte zu ihrem runden Gesicht mit den runden Wangen, die stets wie leicht aufgeblasen wirkten. Der kleine Mund, der oft lächelte, und die lustigen Augen machten Lydia Flagstone zu einer sympathischen Person, die bei allen Menschen gut ankam.
An diesem Tag aber hatte sie Angst.
Der Nebel war urplötzlich gekommen. Fast schon überfallartig. Sie hatte zuvor nichts gesehen. Es hatte keine Vorzeichen gegeben, keine Andeutungen, wie es normal gewesen wäre, nein, er war plötzlich da gewesen wie vom Himmel gefallen.
Er lag um ihr Haus herum. Eine dichte, beinahe schon watteartige Schicht, die alles verschluckt hatte, was sich in der nahen Umgebung befand.
Sie sah keine Bäume mehr, keinen Garten, auch wenn sie sich noch so anstrengte. Ob sie vor dem Haus aus dem Fenster schaute oder dahinter, es blieb alles gleich.
Auch als sie das Licht der Außenleuchte eingeschaltet hatte, war es so gut wie nicht zu sehen gewesen. Der dichte Nebel hatte alles verschluckt, und sie war sich absolut sicher gewesen, dass da etwas nicht stimmte.
Lydia Flagstone wohnte lange genug hier am Rand von London, um sich mit den Wetterbedingungen genau auszukennen. Sie hatte den berühmten Londoner Nebel oft genug erlebt. Der aber war anders gewesen als diese Masse, die jetzt ihr Haus umgab. Der Nebel kam ihr nicht natürlich vor. Er sah aus, als wäre er künstlich geschaffen worden.
Nur sah sie keinen Grund dafür. Das Wetter hatte sich gehalten. Es war nicht plötzlich umgeschlagen, aber der Nebel war da, und genau das irritierte sie nicht nur, es machte ihr auch Angst.
Etwas stimmte nicht. Sie bezog es auf sich und ihren Mann. Nicht grundlos hatte sich Gordon so ungewöhnlich verhalten. Dass er an einem Tag nach Hause kam, an dem er Dienst hatte, das war bisher so gut wie nie vorgekommen.
Es seid denn, er war krank geworden. Ein plötzlicher Virus oder Ähnliches.
Jetzt wollte er kommen. Einen Grund hatte er nicht genannt. Es konnte sein, dass er etwas ahnte, aber nicht von dem Nebel, von dem Lydia berichtet hatte. Denn sie hatte aus seinen Worten herausgehört, dass er überrascht gewesen war.
Was sollte sie tun?
Sie schüttelte den Kopf, denn sie wusste sich keinen Rat. Es galt, auf ihren Mann zu warten, mehr nicht. Sie traute sich nicht, die Nachbarn anzurufen, deren Häuser recht weit entfernt standen. Das hier war keine Siedlung, in der die Flagstones lebten.
Lydia traute sich auch nicht, das Haus zu verlassen. Sie blieb im Haus, nur war sie so nervös, dass sie dabei von einem Zimmer zum anderen ging, wobei sie das Erdgeschoss nicht verließ, mal nach vorn schaute und dann wieder nach hinten. Immer in der Hoffnung, dass sich der Nebel wieder auflöste oder zumindest dünner wurde, was aber auch nicht geschah.
Der Nebel blieb als dicke Watte um das Haus herum liegen.
Das Wandern von einer Seite zur anderen brachte ihr auch nichts ein. Es machte sie nur nervöser. Sie musste sich etwas anderes einfallen lassen und dafür sorgen, dass sie sich beruhigte. Es war vielleicht besser, wenn sie in einem Zimmer blieb und abwartete.
Es würde dauern, bis ihr Mann eintraf. Sie wusste selbst, wie mühsam es war, sich durch den Londoner Verkehr zu wühlen. Das war im Normalfall kein Problem, nur jetzt schien die
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