1544 - Der Monster-Killer
und ballte dabei die Hände, »… der Satan wird mich auffangen, und er wird dich mit all den Qualen foltern, die die Hölle für dich bereithält.«
»Du irrst dich!«
»Nein, ich…«
Rankin hatte sich die Stelle schon vorher ausgesucht. Er brauchte nicht mehr großartig zu zielen. Er stieß einfach zu und traf dort, wo er es gewollt hatte.
Alex, der noch etwas hatte sagen wollen, wurde mitten im Satz unterbrochen. Er konnte nicht mehr reden. Er war tödlich getroffen. Die lange Klinge hatte sich tief in seine Brust gebohrt.
Rankin stieß ein zufriedenes Grunzen aus. Er hatte es geschafft. Mit einer schon sanften Bewegung zog er die Waffe wieder aus der Wunde hervor.
Alex blieb weiterhin sitzen. Nur für wenige Sekunden. Dann tippte Rankin ihn an, und der junge Mann fiel auf den Rücken. Man hätte annehmen können, dass er schlief, wäre da nicht die blutige Wunde in seiner Brust gewesen.
Der Monster-Killer war zufrieden. Er hatte wieder mal seine Pflicht voll und ganz erfüllt.
Er wischte die Klinge sorgfältig ab, bevor er sich umdrehte und zur Tür ging…
***
Die Bewohner hatten sich im Haus versammelt. Sie drängten sich vor der Tür zusammen, und sie hatten die Hände gegeneinander gelegt, um zu beten. Sie hatten auch die grässlichen Schreie gehört, die wilden Flüche. Sie hatten gebebt und gezittert, und dann war es vorbei gewesen. Sie hörten nichts mehr.
Über ihnen hatte sich eine gespenstische Ruhe ausgebreitet, die nicht lange bestehen blieb, denn kurz danach hörten sie das Knarren einer Türangel.
Rankins raue Stimme durchfuhr das Haus. Sie kam wie ein Trompetenstoß vom Himmel und bebte in den Ohren der Versammelten nach.
»Die Hölle wird ihn nicht bekommen. Ich habe ihn erlöst, und ich werde ihn mitnehmen.«
Mehr sagte er nicht, aber Ludmilla, die ganz vorn an der Treppe stand, wusste sehr gut, was damit gemeint war. Ihre zusammengelegten Hände klappten auseinander, sie öffnete die Mund, aber sie konnte nicht mehr sprechen. Aus ihrer Kehle drangen kaum zu beschreibende Laute, und es war ihr auch nicht möglich, stehen zu bleiben. Die Beine gaben unter ihr nach. Sie gab einen Wehlaut von sich und fiel dabei zur Seite.
Starke Hände fingen sie auf. Ludmilla hielt die Augen weit offen. Sie schaute in die über ihr schwebenden Gesichter, die sie allerdings nicht mehr klar sah, weil ihre Augen vom Tränenwasser überschwemmt waren.
Ihr Gehör funktionierte noch, und wie aus weiter Ferne hörte sie das Echo der Schritte, als Rankin die Stufen der Treppe hinab ging.
Er kam nicht allein. Über seine linke Schulter hatte er den toten Alex gelegt. Dessen Körper schwankte bei jedem Schritt, den der Monster-Killer zurücklegte.
Die Versammelten schauten ihn an. In den Gesichtern regte sich nichts.
Sie waren nicht darauf eingestellt gewesen, dass es passieren würde, aber jetzt mussten sie feststellen, wie grausam die Wirklichkeit war, die bei ihnen Einzug gehalten hatte.
Ludmilla brach erneut zusammen, als sie ihren Sohn erkannte. Wieder musste sie gehalten werden, und ihre Schreie, die der Schmerz über den Tod ihres Sohnes ausgelöst hatte, waren schrecklich.
Stumm schauten die Männer zu.
Die Frauen weinten.
Der Tod hatte zugeschlagen, und dieser Tod hatte zwei Beine, auf denen er die Treppe herabkam. In seinem Gewand und mit der Augenklappe wirkte er selbst wie ein Teufel, der die Hölle verlassen hatte, um auf der Erde zu wandeln. Dass er eine menschliche Last auf seinen Schultern trug, schien ihm nichts auszumachen. Jedenfalls war ihm keine Anstrengung anzumerken.
Er hielt an, als er die letzte Stufe hinter sich gelassen hatte. Er bewegte sein linkes Auge und auch den Kopf, damit er sich umschauen konnte.
»Ich habe ihn erlöst«, sagte er dann, »ja, ich habe ihn erlöst. Ich habe ihn dem Teufel entrissen, und ich werde ihn jetzt mitnehmen und an einen Ort bringen, wo er sicher ist. Wenn ihr mehr wissen wollt, der Pope wird euch Auskunft geben. Betet für ihn! Betet für seine Seele und seine Erlösung.« Rankin nickte. »Er hat die Hölle schon auf Erden erlebt, und er soll nicht noch mehr bestraft werden.«
Es waren seine letzten Worte. Um die Tür zu erreichen, brauchte er sich nicht mal umzudrehen, sondern nur einen Schritt nach vorn zu gehen.
Mit der freien Hand öffnete er sie und trat nach draußen.
Er ging weg, ohne sich noch einmal umzusehen.
Zurück ließ er eine Gruppe von Menschen, die selbst so starr wie Leichen wirkten…
***
Die russische Kirche
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