1544 - Der Monster-Killer
konnte man auch als eine orthodoxe Kathedrale bezeichnen. Sie bildete den Mittelpunkt eines kleinen Parks, der im Sommer voller Spaziergänger war, zu dieser Jahreszeit aber eine winterliche Leere zeigte.
Das Dach der Kirche wies eine Kuppel auf, und darauf stand hochgereckt das Kreuz der Patriarchen, was man auch als das russische Kreuz bezeichnete, denn es wies drei Querbalken auf.
Der kürzere befand sich recht weit oben. Darunter war der längere Querbalken zu sehen, auf dem einige dunkle Vögel ihre Plätze gefunden hatten. Unter dem langen Querbalken gab es noch einen dritten, der in Schräglage angebracht war. Dieser Balken war zumeist verdeckt, wenn das Kreuz getragen wurde.
Den Rover hatten wir am Rand des kleinen Parks abgestellt und zu dritt das Gelände betreten.
Karina Grischin ging zwischen Suko und mir. Wir sprachen nicht miteinander, aber wir gingen auch nicht geräuschlos, denn unsere Füße schaufelten bei jedem Schritt das Laub in die Höhe.
Außer uns befanden sich keine weiteren Menschen in der Nähe.
Zumindest sahen wir keinen.
Trotz der mächtig wirkenden Kuppel war die Kirche kein unbedingt großes Bauwerk. Ihre Mauern schimmerten rötlich und strahlten irgendwie eine gewisse Ruhe aus, die sich wunderbar mit der Stille im Park verband.
Karina Grischin hatte uns erklärt, dass auch sie zum ersten Mal durch diesen Park ging. Während ihrer Londoner Zeit, die schon einige Jahre zurücklag, hatte sie der Kirche keinen Besuch abgestattet, ja, sie hatte nicht einmal gewusst, dass es sie gab. Jetzt lächelte sie und berichtete mit leiser Stimme davon, dass sie hier so etwas wie ein heimatliches Gefühl empfand.
»Kann ich verstehen«, sagte ich.
Wir hätten unseren Besuch auch ankündigen können. Darauf allerdings hatten wir verzichtet.
Wir stellten fest, dass sich der Eingang an der Seite befand. In der Nähe des Bauwerks wuchsen kahle Sträucher, die erst in einigen Monaten wieder Knospen tragen würden.
Aber es gab auch einen kleinen Anbau, der sich wie ein Wulst vom Mauerwerk abhob. Und wir sahen noch ein zweites kleines Haus, nachdem unser Blick sich geklärt hatte. Es stand nur ein paar Meter von der Kirche entfernt. Wir gingen davon aus, dass es sich um das Wohnhaus des Popen handelte.
Zwischen den Sträuchern führte auch ein Weg entlang, der plattiert war.
Die Steine sahen hell aus, obwohl sie bereits mit einer Moosschicht bedeckt waren.
Wir betraten den Weg und sahen die Tür vor uns. Sie lag nicht in einer Nische, sie war auch nicht einfarbig. Man hatte das Holz bemalt, und beim Näherkommen sahen wir die Motive, die schon leicht verblichen waren, aber die beiden Engel auf den zwei Türhälften waren schon zu erkennen.
Ob wir bereits bemerkt worden waren, wussten wir nicht. Niemand kam, um die Tür von innen zu öffnen. Hinter den recht kleinen Fenstern hatten wir auch keine Bewegung gesehen.
Wir ließen Karina den Vortritt. Ihr Gesicht zeigte einen gespannten Ausdruck, als sie die Hand auf die schwere Klinke legte und sie nach unten drückte.
In der folgenden Sekunde würden wir erfahren, ob die Kirche offen war oder nicht.
Sie war offen.
Karina zog die Tür nach außen, und wir konnten die Kirche betreten, in der ein Zwielicht herrschte, das durch die Flammen zahlreicher Kerzen entstand, die sich an verschiedenen Stellen befanden.
Auch in den Nischen der Wände, die mit kleinen Altären geschmückt waren, brannten Kerzen.
Ein großes Triptychon bildete den Blickfang des Hauptaltars, zu dem drei breite Stufen führten. Die Ikonenmalerei zeigte Szenen aus dem Leben Jesu. Das Kerzenlicht streifte über die Motive hinweg, und obwohl wir nicht direkt davor standen, sahen wir, dass es sich um ein wunderbares Kunstwerk handelte.
Unsere Füße berührten einen Marmorboden, der mit grünen, roten und braunen Einschlüssen versehen war. Die Gläubigen konnten in Bänken und auf Stühlen Platz nehmen, die zwischen und um dem Altar herum standen.
Als ich meinen Kopf zurücklegte und gegen die Decke schaute, da hatte ich das Gefühl, ein Himmelsgewölbe zu sehen, das sich über uns ausbreitete. Es war ein gutes Gefühl, das mich durchfuhr. Ich fühlte mich in diesem Raum irgendwie geborgen, und es machte mir auch der Weihrauchgeruch nichts aus, der in der Luft lag.
»Ja«, sagte Karina, die sich ebenfalls umgeschaut hatte. »Jetzt sind wir hier und müssen uns die Frage stellen, ob das die richtige Spur zu einem Mörder ist, der sich Monster-Killer nennt und möglicherweise
Weitere Kostenlose Bücher