1544 - Der Monster-Killer
was er als ein solches ansah.
Es war nichts anderes als eine glatte Fläche ohne Mund, Nase oder Augen.
Die Gestalt beugte sich nach vorn, und sofort spürte er die Kälte, die ihn überschwemmte. Aber es war eine andere Kälte als die, die er kannte.
Sie war nicht feucht, eher trocken, aber nicht unangenehm. Sie gab dem Nackten, so seltsam es auch war, das Gefühl der Wärme und des Vertrauens.
Und das Unglaubliche setzte sieh fort. Rankin merkte, dass dort etwas geschah, wo seine Hände auf dem Rücken gefesselt waren. Harte, dünne Bänder, die er selbst nicht aufreißen konnte, um die sich allerdings sein Helfer kümmerte.
Und der schaffte es, ihn zu befreien. Wie er es getan hatte, wusste Rankin nicht, aber er war frei und konnte seine Arme wieder bewegen, was ihm unglaublich erschien.
Er stöhnte leise auf, und er spürte jetzt wieder einen Schmerz, als das Blut wieder durch die Adern zu fließen begann und seine Handgelenke plötzlich sehr schwer wurden.
Dass noch vor Kurzem der Schmerz in seiner leeren Augenhöhle getobt hatte, konnte er kaum glauben, denn er war nicht mehr zu spüren.
Alles war anders geworden, denn sein Besucher hatte es geschafft, diesen Schmerz verschwinden zu lassen. Einige Male hatte Rankin den Eindruck, dass er und dieser unheimliche Besucher sich vereinigten.
Gesprochen wurde nicht. Das genau wollte Rankin ändern. Er fasste Mut und flüsterte: »Wer bist du?«
Sein Besucher schien sich aufzurichten. Rankin glaubte schon, zu viel gefragt zu haben, aber dann erhielt er eine Antwort, die zwar aus einem Stimmenklang bestand, sich aber nicht so anhörte.
»Ich bin dein Schutzgeist…«
Rankin verlor seine Sprache. Er wollte etwas fragen und schaffte es nicht. Er war von der Erklärung zu sehr überrascht worden, denn es kam ihm jetzt vor, als hätte sich in der himmlischen Welt eine Klappe geöffnet, um jemanden freizulassen.
Ein Schutzgeist - ein Engel!
Er konnte plötzlich wieder lächeln. Ein Gefühl, das tief aus seinem Innern kam - wie auch der folgende Gedanke, der sich damit beschäftigte, dass er sein Leben weiterführen würde.
Zwar konnte ihm das rechte Auge nicht mehr zurückgegeben werden, aber damit würde er sich abfinden können. Vergessen war nichts.
Irgendwann würde er zurückschlagen und das mit aller Härte.
»Steh auf!«
Wieder erreichte ihn diese weiche Stimme, die nicht von dieser Welt zu sein schien. Rankin wusste, dass es nur von Vorteil für ihn sein konnte, wenn er gehorchte, und so drängte es ihn, auf die Beine zu gelangen, was nicht einfach war.
Das Verlies drehte sich vor seinen Augen. Er spürte, dass er nur ein Mensch war, und das mit allen Schwächen, die ein Mensch nur haben konnte.
Er ruderte mit den Armen, drückte sich dann zurück und war froh, die Wand an seinem Rücken zu spüren, die ihm die nötige Stütze gab. Sein Blick war noch nicht klar, und er spürte wieder das Brennen in der leeren Augenhöhle.
Es ließ sich aushalten, denn es gab wieder eine Perspektive für ihn.
Auch das Zittern in seinen Knien legte sich.
»Es geht gut«, flüsterte er.
»So sollte es auch sein.«
»Und was ist jetzt mit mir?«, flüsterte Rankin.
Vor ihm stand das Geistwesen. Ob er angestarrt wurde, wusste Rankin nicht, denn er sah keine Augen. Und wenn die Gestalt sprach, öffnete sich auch kein Mund.
»Du wirst deinen Weg gehen. Du wirst sie suchen und auch finden.«
»Wen?«
Rankin erhielt eine indirekte Antwort.
»Du hast vieles erlitten. Du hast dich in einem Kloster versteckt gehalten. Du hast dich wie ein Einsiedler gefühlt und hast dich, ohne es wirklich zu wissen, auf dein neues Leben vorbereitet. Du hast versucht, hinter die Dinge zu schauen. Du hast das akzeptiert, was viele Menschen einfach abtun. Und jetzt wirst du reiche Ernte halten.«
»Wie sieht sie aus?«
Der Schutzgeist war noch nicht fertig.
»Du bist durch eine Vorhölle gegangen, in die man dich geschickt hat. Du hast eine grausame Folter erlebt, aber die hat dich nicht umgebracht. Auch mit einem Auge wirst du genug sehen, um deine Feinde vernichten zu können. Deine Rache wird doppelt so stark sein, und du wirst sie vernichten, wo immer du sie triffst.«
»Von wem redest du?«
»Von den Monstern.«
»Aha.« Rankin sagte nichts mehr, weil er wusste, dass sein Schutzgeist noch nicht fertig war.
»Von Monstern und bösen Kreaturen, die sich auf der Welt herumtreiben. Denn ich habe beschlossen, dass du zu einem Monster-Killer wirst.«
Igor Rankin musste die
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