1548 - Orbit im Nichts
dritten Tages einen neuen Versuch, wiederum ohne Erfolg. Das konnte er nicht verstehen, also rief er Paunaro an. In der schwer verständlichen, schlecht definierten Hierarchie der Nakken war Paunaro so etwas wie der akkartilische Obernakk - der Standortkommandant Akkartil, wie man bei der Solaren Flotte gesagt hätte. Es war nicht immer leicht, an Paunaro heranzukommen. Sato Ambush brauchte über eine halbe Stunde, bis er endlich die gewünschte Verbindung hatte. „Ich suche Chukdar", erklärte er mit Hilfe des Lasim, nachdem er die übliche Grußformel gesprochen hatte. „Wir planen gemeinsam ein wichtiges Vorhaben, aber ich habe von Chukdar seit über zwei Tagen nichts mehr gehört."
„Chukdar befindet sich nicht auf Akkartil", antwortete Paunaro. „Wie bitte?"
Die Frage war dem Pararealisten in der ersten Überraschung nur so herausgerutscht. Der Lautlos-Simulator konnte nichts mit ihr anfangen, und Paunaro reagierte nicht. „Wo ist Chukdar?" erkundigte sich Sato. „Ich weiß es nicht", kam die Antwort. „Er hat mir über seine Absichten nichts mitgeteilt. Ich weiß nur, daß er mit der SIRNAM unterwegs ist."
Die SIRNAM, erinnerte sich der Pararealist, war eines der elf noch verbleibenden Dreizackschiffe.
Dreizackschiffe waren Produkte einer hochentwickelten Technik und konnten nur von Nakken geflogen werden. „Du kennst seine Pläne nicht?" fragte Sato Ambush. „Nein. Er hat sie mir nicht offenbart. Mir ist bekannt, daß er eine große Menge technischen Geräts an Bord der SIRNAM geladen hat, bevor er abflog."
Sato Ambush kämpfte gegen das Gefühl der Enttäuschung, das sich in ihm breitmachen wollte.
Er fühlte sich vor den Kopf geschlagen, aber das war eine emotionale Reaktion, die er so schnell wie möglich überwinden mußte. Er selbst hatte sich immer wieder zur Ordnung gerufen, wenn in seinem Bewußtsein der Gedanke aufgetaucht war, Chukdar und er seien Freunde. Wie wollte ein Terraner schon beurteilen können, ob den Nakken der Begriff Freundschaft überhaupt etwas besagte? Sich von Chukdars Handlungsweise enttäuschen zu lassen, war naiv. Der Kosmologe hatte gehandelt, wie es seiner Mentalität entsprach.
Etwas anderes allerdings war zu bedenken. Es gab ein oftmals beschworenes Abkommen zwischen Nakken und Terranern, daß die eine Seite die andere sofort in Kenntnis setzen würde, sobald bei der Suche nach der Superintelligenz ES ein nennenswerter Fortschritt erzielt worden sei. Chukdar war unterwegs, um die noch ausstehenden Daten zu beschaffen, die er brauchte, um den Orbit der Kunstwelt Wanderer zu berechnen. Zu der Ausstattung, die er mit sich führte, gehörte ein ultraschneller Kompaktrechner, wie er selbst gesagt hatte. Der Kosmologe wollte seinen Triumph mit niemand teilen.
Das war schäbig, fand Sato Ambush. Es war ein flagranter Bruch des Abkommens. „Ich bitte um Erlaubnis, den Hypersender zu benützen", sagte er zu Paunaro.
*
„Wir sind soweit", sagte Kallia Nedrun von der Bildfläche des Interkoms herab. „Wartet noch ein Minute", bat Myles Kantor. „Ich möchte erst noch hören, was Sato Ambush zu sagen hat."
Kallia schien beeindruckt. Sie verstand, daß eine Hyperfunknachricht von Akkartil Priorität gegenüber nahezu allem ändern hatte, was sonst noch auf der Tagesordnung stehen mochte. Ihr Bild verschwand aus der Videofläche. Statt dessen erschien Text. „Sato Ambush an die Projektleitung UBI ES", las Myles. „Ich habe zu berichten, daß nach meiner Ansicht von nakkischer Seite versucht wird, Fortschritte in der ES-Suche geheimzuhalten. Ich habe dabei folgende Bedenken aufzuzählen."
Myles Kantor las mit gespannter Aufmerksamkeit. Hyperfunkverbindungen mit Akkartil waren kompliziert und problemreiche Angelegenheiten. Akkartil besaß einen Mond, Anansar mit Namen, der in Wirklichkeit ein Schwarzes Loch in Miniaturausgabe war. Sein Ereignishorizont besaß einen Durchmesser von fünf Millimetern. Das Schwarze Loch und die Akkretionsscheibe, die sich in strahlendem Glanz um die Singularität schlang, waren unermüdlich sprudelnde Quellen intensiver Hyperstrahlung, die die Tätigkeit des Hypersenders von Akkartil empfindlich störte. Die Störeinflüsse wechselten in Frequenz und Amplitude. Es gab Zeiten, da konnte ein halbwegs brauchbare Funkverbindung mit Akkartil über Stunden hinweg aufrechterhalten werden.
Dann aber kamen wieder Perioden, in denen die Störung so nachhaltig war, daß der Sender nur mit geringer Bandbreite arbeiten konnte in die er
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