1549 - Der steinerne Engel
ein. Er trank seinen Kaffee und nickte, als er die Tasse leer hatte.
»Ich werde mich jetzt an die Arbeit machen.«
»Willst du alle Häuser kennzeichnen?«, fragte Maria.
»Ja. Denn ich möchte sicher sein. Ich weiß nicht, was der Todesengel noch alles vorhat. Ich werde hier bei uns beginnen. An Manuel soll niemand herankommen.«
»Tu das, Joaquim.«
Der stand auf. Jorge sagte nichts mehr. In seinen Augen war die Angst zu lesen, die ihn erfasst hatte. Das sah auch sein Sohn, der ihn beruhigen wollte.
»Keine Sorge, Vater, diesmal klappt es.«
»Ich bete für uns.«
Joaquim ging. Im Flur nahm er den Eimer hoch. Bevor er sich in Bewegung setzen konnte, um das Haus zu verlassen, hörte er seine Frau und drehte sich um.
Maria lächelte ihn an, und doch las er die Besorgnis in ihrem Blick. Sie umarmte ihn, und er vernahm ihre weiche Flüsterstimme dicht an seinem linken Ohr.
»Du schaffst es, Liebster. Wir schaffen es. Da bin ich mir ganz sicher, keine Sorge.«
»Ich werde mich bemühen.«
Sie hatte noch eine Frage, denn auch für Maria war der unheimliche Vorgang neu.
»Und du bist sicher, dass dieser - dieser - Todesengel heute Abend kommen wird?«
»Ja, das bin ich. Sehr sicher sogar. Es ist ein Fluch, der sich leider immer wiederholt.«
»Aber was ist der Grund?«
»Bitte, Maria, er liegt sehr weit in der Vergangenheit begraben. Man vergleicht ihn sogar mit dem Alten Testament. Aber das sollte dich nicht weiter berühren. Ich habe mir vorgenommen, ihn zu brechen. Damit werde ich jetzt beginnen.«
Er löste sich von ihr und hob den Eimer wieder an, um ihn durch den Flur aus dem Haus zu tragen.
Maria folgte ihm nicht. Sie wusste ja, was er vorhatte. Sie ging zurück in die kleine Küche und sah die Tränen in Jorge Morenos Augen…
***
Es war eine Arbeit, die er nicht gern machte, die aber getan werden musste. Den breiten Quast hatte er schon bereitliegen. Jetzt stand Joaquim vor der Tür, tunkte den Quast in das Blut und begann damit, die Türpfosten zu bestreichen.
Es war eine für ihn ungewohnte Arbeit. Auch deshalb, weil er nicht mit Farbe strich. Sie musste jedoch getan werden, und so bestrich er beide Türpfosten mit dem Blut des Tieres.
Rote Streifen blieben am grauen Holz zurück. Das Blut würde trocknen und so schnell nicht abgewaschen werden. Die Arbeit dauerte nicht lange, und so wandte er sich dem nächsten Haus zu. Jedes hier in Porté sollte geschützt werden. Der Todesengel durfte nicht in die Häuser eindringen und das Verderben bringen.
Mittlerweile hatte es sich herumgesprochen, welche Arbeit Joaquim verrichtete.
Nicht alle Menschen blieben in ihren Häusern versteckt. Manche kamen nach draußen und schauten ihm zu.
Niemand bot ihm Hilfe an. Die Mensehen hier kannten die Gesetze, und sie beteten darum, dass sich der Schrecken nicht wiederholte.
Einer aus der Gruppe der Neugierigen löste sich und kam auf den Streichenden zu. Er fungierte nebenbei als Bürgermeister von Porte, hieß Moreau und sprach ihn an.
»Hörst du mir zu, Joaquim?«
Joaquim Moreno strich weiter, nickte aber.
»Kannst du dich erinnern, dass es noch nicht lange her ist, als uns dieser Mönch besuchte, der eine Messe halten wollte, weil wir noch keinen neuen Pfarrer bekommen haben?«
»Ja, ich erinnere mich.«
»Und weißt du auch noch, was der Mönch gesagt hat?«
»Sicher. Wir kamen auf das Thema Todesengel zu sprechen. Er wollte dem Spuk ein Ende bereiten.«
»Wie weit traust du ihm?«
Moreno strich noch einmal leicht über einen rechten Türbalken und legte den Quast danach auf dem Rand des Eimers so hin, dass er nicht kippen konnte.
»Er hat auf mich einen glaubwürdigen Eindruck gemacht.«
»Ja, auf mich auch.«
»Nur hat er sein Versprechen nicht gehalten, Joaquim.«
»Auch wenn er es gehalten hätte, ich hätte trotzdem nicht anders gehandelt. Das musst du wissen.«
»Ja, das glaube ich dir. Es ist auch nötig. Ich habe wirklich gedacht, dass er uns helfen kann.«
»Das tun wir selbst.«
Für den Bürgermeister war das Thema noch nicht beendet. Er ging mit Moreno bis zum nächsten Haus. Aus einem Fenster schaute eine alte Frau und bekreuzigte sich.
»Kennst du noch seinen Namen?«
Moreno hob die Schultern. »Da müsste ich nachdenken. Hieß er nicht Lucien?«
»Richtig.«
»Lucien Domain!«
»Genau.«
Moreno tauchte den Quast wieder in die rote Flüssigkeit. »Was soll das alles?«
Der Bürgermeister hob die Schultern. Seine nächste Bemerkung klang leicht verlegen. »Nun ja,
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