1549 - Der steinerne Engel
mal zu Besuch in die Heimat.
Joaquim erreichte die ersten Wohnhäuser des Dorfes. Natürlich wussten die Bewohner Bescheid, welche Aufgabe er übernommen hatte, und man hatte ihn auch gehen sehen.
Jetzt kam er zurück.
Das sahen die Leute, die auf ihn hinter den Fenstern gewartet hatten oder vor ihren Haustüren standen. Das waren in der Regel die Männer.
Die Frauen hielten sich in den Häusern auf, schauten durch die Fenster, und nicht wenige schlugen Kreuzzeichen, als sie ihn sahen.
Moreno wurde angesprochen. »Du hast es geschafft?«
Erhielt für einen Moment an. »Ja. Es ist mir keine andere Wahl geblieben.«
»Was sagt dein Vater?«
»Er betet, glaube ich.«
»Das kann nicht schaden«, sagte ein anderer Bewohner. »Aber es ist fraglich, ob wir den Engel aufhalten können. Ich will es hoffen, kann aber nicht daran glauben.«
»Ich schon!«, erklärte Joaquim mit fester Stimme. »Es muss einmal Schluss mit dem Grauen sein.«
»Wir wünschen es dir alle.«
Die Worte waren nicht gelogen.
Moreno setzte seinen Weg fort. Er wusste, dass es nur der Anfang gewesen war. Bis zum Einbruch der Dämmerung musste noch einiges erledigt werden.
Als er das Haus erreichte, in dem er wohnte, musste er um den Seat herumgehen, der vor dem grauen Bau parkte. Aber er hatte bereits seine Frau Maria in der offenen Tür stehen sehen.
Sie schaute ihm entgegen, ohne ein Wort zu sagen. Das schwarze Haar hatte die recht kleine Person zu einem Zopf zusammengebunden, der an ihrer linken Seite herabhing.
Sie hatte noch immer etwas Jungendliches an sich, obwohl sie voll entwickelt war. Unter dem Stoff des grauen Pullovers bebten ihre Brüste.
»Manuel liegt im Bett und schläft«, begrüßte sie ihren Mann.
»Das ist gut.«
»Und du hast es geschafft, wie ich sehe.«
»Ja, das habe ich.« Er stellte den Eimer ab, auf den Maria schaute und schauderte.
»Hast du das Tier selbst getötet?«
»Wie es verlangt wurde. Aber Paul hat es festgehalten. Es ging alles sehr schnell, und es ist trotzdem schlimm für mich gewesen.«
»Das glaube ich dir. Komm ins Haus.«
Er nickte und folgte seiner Frau, die schwarze Jeans trug. Sie saß sehr eng.
Den Eimer mit dem Blut ließ er im Flur stehen und betrat die Küche, in der schon Jorge, sein Vater, saß. Er hatte sich eine Jacke übergestreift und schaute seinem Sohn entgegen, wie dieser einen Stuhl nahm und ihn an den Küchentisch heranzog. Er nahm Platz und nickte.
»Du hast es also geschafft?«
»Ja.«
»Ich habe dich schon zum Haus kommen sehen. Der Eimer war mit dem Blut gefüllt. Ich denke, dass es ausreichen wird, um uns den nötigen Schutz zu geben.«
»Leider haben wir nicht mehr viel Zeit.«
»Es wird schon reichen. Zudem habe ich mich entschlossen, dir zu helfen.«
»Nein!« Joaquim breitete die Arme aus und schüttelte zusätzlich den Kopf. »Das will ich nicht.«
»He, was regst du dich auf? Traust du mir das nicht zu? Ich bin siebzig, das ist kein Alter.«
»Es geht nicht darum«, meldete sich Maria vom Ofen her, auf dem ein Kessel mit heißem Wasser stand. »Wir beide möchten nur nicht, dass dich die Erinnerungen an früher zu sehr aufwühlen. Was getan werden muss, das wird getan, aber nicht durch dich. Du hast damals deine Pflicht getan, heute ist dein Sohn an der Reihe.«
In Jorges Augen blitzte es. »Der es auch besser kann - oder?«
»Das habe ich damit nicht gesagt.«
»Ich kann noch einen Pinsel oder Quast führen. So alt bin ich nicht, verdammt.«
»Hört damit auf, euch zu streiten«, mischte sich Joaquim ein. »Das hat keinen Sinn. Ich werde alles in die Wege leiten und brauche ebenso wenig Hilfe, wie du sie damals angenommen hast, Vater.«
Er lehnte sich zur Seite, damit seine Frau die Schale mit dem Kaffee vor ihm abstellen konnte. Das Getränk würde ihm jetzt gut tun.
Als er trank, schaute er in das Gesicht seines Vaters. Der hielt die Lippen zusammengepresst und schielte auf seinen Stock, der nahe des Tisches an der hellen Wand lehnte, direkt unter dem Bildnis der Jungfrau Maria.
»Ich weiß, ich bin zu alt. Ich muss am Stock laufen und werde mich wohl damit abfinden, dass meine Zeit vorbei ist. So kann ich nur noch auf mein Begräbnis warten.«
Maria schüttelte den Kopf. »Das ist doch Unsinn. Du wirst noch lange leben. Wir brauchen dich hier. Denk an deinen Enkel, der dich so sehr liebt. Du wirst ihm noch vieles beibringen können, wenn Joaquim wieder unterwegs ist.«
»Ach, das sagst du nur so.«
Der junge Moreno mischte sich nicht
Weitere Kostenlose Bücher