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1549 - Der steinerne Engel

1549 - Der steinerne Engel

Titel: 1549 - Der steinerne Engel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jason Dark
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rechts, dann wieder links, und so konnten sie immer wieder in einen Abgrund schauen. Leitplanken und auch Begrenzungsmauern waren hier nicht vorhanden, und manchmal rollten sie sehr dicht an einem dieser Abgründe entlang. Zum Glück bestand der Untergrund nicht aus lockeren Steinen, sodass sich die Rutschgefahr in Grenzen hielt, was etwas beruhigend auf Godwin wirkte.
    Schließlich ging der Mönch mit dem Tempo herunter. Das wundert Godwin.
    »He, sind wir schon da?«
    »Nein!«
    »Warum stoppst du dann?«
    »Schau mal schräg nach unten und über den Abhang hinweg, genau an deiner rechten Seite.«
    Godwin wusste zwar nicht, was das bedeuten sollte, aber er fügte sich.
    Einige Augenblicke später ergriff ihn ein großes Staunen.
    Sie befanden sich noch in einer recht großen Höhe am oberen Rand eines Tals und so günstig, dass es von dieser Stelle von seinem Anfang bis hin zum Ende überblickt werden konnte.
    Der Mönch kannte diesen Anblick.
    Godwin nicht, und er holte zunächst mal tief Luft, weil er so beeindruckt von diesem Anblick war. Er persönlich hätte seinen Wohnsitz niemals in dieses Tal verlegt, es wäre ihm zu eng gewesen, auch wenn es sich zur Westseite hin öffnete. Es ging auch nicht darum, den Anblick zu genießen, wichtig war der kleine Ort in der Mitte des Tales. Für ein normales Dorf standen die Häuser recht eng beisammen. Es war aus Platzgründen auch nicht anders möglich. Noch wirkten sie klein wie Spielzeugbauten. Und Godwin sah auch Menschen, die sich dort unten im Freien aufhielten.
    »Dort ist unser Ziel, Godwin. Das ist Porte.«
    »Ich sehe es.«
    »Und?«
    »Es ist schon imposant. Nicht wegen seiner Größe, sondern aufgrund der von hier aus zu erkennenden Winzigkeit.«
    Luc lachte. »Du hast wirklich einen herrlichen Humor. Aber ich muss dir zustimmen. Von hier aus auf Porté zu schauen, das ist schon etwas Besonderes.«
    »Und was ist mit der Straße hier? Wo mündet sie?«
    »An der Ostseite. Du kannst es von hier aus nicht sehen. Aber das wird sich ändern, keine Sorge.«
    »Sehr gut.«
    »Genug gesehen?«, fragte der Mönch.
    »Habe ich.«
    »Dann können wir weiterfahren.« Luc Domain drehte den Zündschlüssel.
    Der Motor hätte anspringen müssen. Das tat er aber nicht. Dafür gab er ein Kratzen von sich. Wie eine mit Rissen versehene alte Schallplatte.
    »Probleme, Luc?«
    »Eigentlich nicht. Manchmal ist ihm die Luft in der Höhe ein wenig zu dünn. Im Stich gelassen hat er mich noch nie.«
    »Das beruhigt mich.«
    Godwin schaute nicht mehr hinab ins Tal, sondern durch die Windschutzscheibe in den Himmel hinein. Wenn er Domain glauben sollte, dann lagen sie gut in der Zeit. Es würde noch eine Weile hell bleiben, und der Himmel sah nicht so aus, als wollte er sein Aussehen verändern.
    Woher kam aber dann der Schatten?
    Der Templer zuckte leicht zusammen, weil er so überrascht war. Er glaubte im ersten Moment, dass ein großer Vogel durch die Luft segelte, ein Adler, was hier nicht unnormal gewesen wäre.
    Aber es war kein Vogel.
    »Verdammt!«
    Domain war noch immer mit dem Zündschlüssel beschäftigt.
    »Hast du Probleme?«, fragte er.
    »Ja, sieh mal nach vorn.«
    Er hatte den Mönch genau im richtigen Moment aufmerksam gemacht, denn die riesenhafte Gestalt segelte näher. Sie war kein Vogel, sie war nicht mal ein Tier, sie war einfach nur ein mächtiger Mensch, der aussah wie der letzte Riese auf der Welt.
    Luc Domain konnte nicht sprechen, obwohl ihm nichts entging. Dann hatte er sich wieder gefangen, und er flüsterte: »Das ist er, Godwin, das ist der Todesengel…«
    ***
    Es kam nicht mal überraschend für den Templer. Mit einer derartigen Antwort hatte er gerechnet. Er wunderte sich nur darüber, dass er nickte und nichts sagte.
    Anders der Mönch. »Die Zeit ist um. Eine Generation ist vergangen. Jetzt ist er wieder da. Das ist verrückt.«
    Es war mehr als das. Der Engel war ein übergroßer Mensch, eine dunkle Gestalt. Nicht weiß und durchscheinend. Das hätte auch nicht zu seinem Namen gepasst. Er war düster, als wäre er aus den Tiefen der Finsternis gestiegen.
    Obwohl zwischen ihm und dem Wagen noch eine gewisse Entfernung bestand, war er doch sehr gut zu erkennen.
    Ein langer Körper. Breite Schultern, ein großer Kopf, dessen Gesicht eine recht dunkle Haut hatte. Das wies ihn noch alles als Menschen aus.
    Was ihn tatsächlich zu einem Engel machte - das auch im landläufigen Sinne -, waren die beiden mächtigen Flügel, die über die Schultern der

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