155 - Briana - Tochter Irlands - Langan, Ruth
ihre Gefühle für sich zu behalten? Anscheinend gewann nach nur wenigen Tagen in Freiheit ihr ursprünglicher Charakter wieder die Oberhand. Offenkundig hatten die Jahre des Lernens bei den Nonnen keine überzeugende Wirkung gezeigt.
„Ich weiß, dass Ihr Euch nichts sehnlicher wünscht, als endlich wieder über Eure gesamte Kraft zu verfügen“, versicherte Keane dicht an ihrem Ohr. „Aber Ihr wart dermaßen schwer verletzt und habt so sehr mit dem Tode gerungen, dass ich Euch nur raten kann, noch ein kleines bisschen mehr Geduld mit Euch selbst zu haben.“
„Gehört Geduld zu Euren Tugenden, Mylord?“, entgegnete sie daraufhin.
„Das wäre in der Tat sehr erfreulich.“
Im Lichterschein der Kerzen, die in schweren Wandhaltern steckten, studierte Briana sein Gesicht. Er schien ein stolzer, aufrechter Mann zu sein. Doch sie hatte das untrügliche Gefühl, dass Keane O’Mara hinter der Fassade aus Stolz und Überheblichkeit ganz andere Eigenschaften verbarg. Sie spürte die unterschwellig von ihm ausgehende Traurigkeit. Er schien unter einer unsichtbaren, schmerzenden Wunde zu leiden, die so tief war, dass sie niemals hatte heilen können.
An der Tür zu Brianas Räumen blieben sie stehen. Sie schaute zu ihm auf. „Ich habe Euch nie richtig gedankt dafür, dass Ihr mir das Leben gerettet habt. Cora hat mir erzählt, wie Ihr um meine Rettung gekämpft habt, als sie und die anderen schon jede Hoffnung aufgegeben hatten.“
„Ihr wart diejenige, die verbissen um jeden noch so kleinen Hauch von Leben gekämpft hat, Briana O’Neil.“ Keane schien es so, als habe er noch nie einen lieblicher klingenden Namen laut ausgesprochen. „Ich erkannte, dass ihr das Löwenherz eines Kriegers habt. Ich bin froh, dass ich helfen konnte.“
„Ich kann Euch niemals angemessen dafür entlohnen“, flüsterte Briana kaum hörbar.
„Und doch habt Ihr mich mehr als entschädigt.“ Keane griff nach ihren Händen. „Ihr habt den Abend mit mir verbracht und mich an Eurer Geschichte teilhaben lassen. Für eine kleine Weile konnte ich darüber meine eigene vergessen. Ich kann mich nicht mehr erinnern, wann ich zuletzt einen vergleichbar erfreulichen Abend verbracht habe.“
Keane zog ihre Hände an die Lippen und küsste erst die eine, dann die andere. Die sachte Berührung von Brianas Haut löste in ihm eine unerklärliche Sehnsucht aus. Es war ihm unmöglich, Brianas Hände loszulassen. Vielmehr drehte er sie nach oben und küsste auch die Ballen.
Scharf zog Briana die Luft ein. Mit dieser Zärtlichkeit hatte sie nicht gerechnet, und auch Keane war von seinem eigenen Verhalten völlig überrascht. Noch mehr verwirrte ihn seine eigene heftige Reaktion darauf.
Später hätte er nicht mehr sagen können, was ihn dazu trieb, statt ihrer Hände jetzt Brianas Gesicht zu umfassen. „Habe ich Euch erschreckt, Mylady?“, wollte er mit rauer Stimme wissen.
„Ja, allerdings.“ Sie wich vor ihm zurück und stellte zu ihrem Entsetzen fest, dass sie mit dem Rücken zur Tür stand.
„Bitte, verzeiht mir. Aber ich habe noch niemals in meinem Leben eine Frau mit goldgelben Augen gesehen. Sie faszinieren mich. Ihr fasziniert mich, Briana O’Neil.“ Und dann küsste er sie.
Briana stand vollkommen reglos da. Obwohl ihr das Herz bis zum Halse schlug und das Blut in ihren Ohren dröhnte, war sie zu keiner Bewegung fähig.
Unendlich sanft hielt Keane ihr Gesicht zwischen den Händen. Und dann dieser Kuss! Keane küsste sie mit einer so selbstverständlichen Leichtigkeit, wie nur ein in Liebesdingen erfahrener Mann sie aufbringen konnte. Mit den Lippen verwöhnte, neckte und kostete er Brianas Lippen, bis sie seufzend seinen Kuss erwiderte. Die Welt um sie herum schien nicht mehr zu existieren. Nur noch Keane zählte, der nach Wein und Tabak schmeckte – und nach etwas anderem, das Briana nur erahnte, aber nicht benennen konnte.
Vor Jahren war sie bereits geküsst worden, und zwar von Dorfjungen auf Ballinarin, die sehr bestrebt waren, Eindruck auf die O’Neil-Tochter zu machen. Doch dabei hatte es sich überwiegend um Freunde ihrer Brüder gehandelt, die es unter allen Umständen vermieden, den Zorn von Brianas Vater oder auch nur ihren Brüdern herauszufordern.
Doch keiner dieser verschämten Küsse hatte ihr diese verwirrenden Gefühle verursacht, von denen sie jetzt durchströmt wurde. Sie streckte Hilfe suchend die Hände nach einem Halt aus und berührte Keane dabei an der Taille. Im selben Moment hörte sie ihn leise
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