155 - Briana - Tochter Irlands - Langan, Ruth
vollständig von den schweren Verletzungen erholt.“
Keane hatte bereits einen Entschluss gefasst. „Ich würde gern noch ein spätes Abendessen zu mir nehmen. Mistress Malloy soll sich darum kümmern. Und du kannst Miss O’Neil fragen, ob sie Lust hat, mir dabei Gesellschaft zu leisten.“
Keane hatte seinen Becher bereits abgesetzt und damit begonnen, seine Kleider abzustreifen, um sich den Reisestaub abzuwaschen. Er war beileibe nicht versessen darauf, Briana wiederzusehen. Doch er fand die Vorstellung angenehm, bei Tisch jemanden zum Reden zu haben, nachdem er während seiner Reise kaum eine angenehme Unterhaltung geführt hatte. „Sag ihr, ich sei in der Bibliothek.“
Vinson wandte sich zum Gehen, um die Anordnungen auszuführen. Keane hielt ihn noch einmal zurück. „Ach ja, Vinson, wir haben doch im Keller noch ein Fass mit Wein von unseren französischen Weinbergen stehen. Davon würde ich heute Abend gern trinken.“
„Aber Ihr habt doch gesagt, dass dieser Wein für eine ganz besondere Gelegenheit bestimmt sei“, wandte Vinson ein.
„Richtig.“ Keane grinste auf eine jungenhafte Art, die gleichzeitig umwerfend charmant und gefährlich wirkte. „Ich habe soeben beschlossen, den heutigen Abend zu einem ganz besonderen Abend zu machen.“
„Französischen Wein“, stieß Mistress Malloy widerwillig hervor und warf Vinson einen äußerst ungehaltenen Blick zu, den dieser jedoch gleichmütig überging.
„So ein bisschen Wein wird unserem Mädel schon nicht schaden“, meinte er beruhigend und füllte aus dem soeben angestochenen Fass Wein in eine Karaffe. Dann verschloss er sorgfältig das Weinfass.
„Woher willst du das wissen?“, gab Mistress Malloy heftig zurück. „Unsere Kleine hält nicht viel vom Trinken, und woher willst du wissen, dass unser Herr nicht Unrühmliches plant für heute Abend!“
Vinson hatte die Karaffe und Weinbecher aus schwerem Kristallglas auf einem Silbertablett abgestellt, nahm dieses jetzt hoch und bewegte sich in Richtung Tür. „Es wird alles gut gehen – allein schon deshalb, weil ich des Öfteren in die Bibliothek gehen werde und ein wachsames Auge auf die Vorgänge dort halten kann.“
Die Haushälterin kehrte an ihre Arbeit zurück, als Vinson verschwunden war, und grübelte über die schwierige Aufgabe nach, ihrem Herrn und Meister stets einen Schritt voraus sein zu müssen. Ein Mann wie Lord Alcott mit seinem überaus schlechten Ruf machte es erforderlich, dass ein unschuldiges Mädchen wie Briana O’Neil so sorgsam wie nur irgend möglich bewacht wurde.
Mistress Malloy schüttelte sich sogar ein wenig, als sie an all die Dinge dachte, für die Keane O’Mara eine so traurige Berühmtheit erlangt hatte. Frauen, Trinken, Glücksspiele und andere Dinge, die keine anständige Frau auch nur zu denken wagte, waren sein liebster Zeitvertreib gewesen.
Sie und der Butler hatten beschlossen, Briana sozusagen dazu zu benutzen, dass Lord Alcotts Stimmung sich aufhellte und er trotz seiner Verbitterung in Irland bleiben und sich um sein Erbe kümmern würde. Aus diesem Blickwinkel betrachtet, hatten sie Briana sozusagen in den Löwenkäfig gestoßen und mussten nun Acht geben, dass sie wenigstens die Gelegenheit bekam zu versuchen, ihn zu zähmen, bevor er sie, bildlich gesprochen, verschlang.
Mistress Malloy machte sich auf den Weg in die oberen Gemächer, wo Briana sich gerade von der Zofe ankleiden ließ.
„Ach, Cora“, klagte sie in dem Moment, in dem die Haushälterin in den Raum trat, „dieses Kleid ist viel zu …“
„… zu groß“, vollendete Mistress Malloy den Satz und betrachtete prüfend die auf einem Stuhl vor ihr stehende Briana. Diese trug ein Kleid in zartem Lavendelblau, an dem Cora gerade den Saum umnähte.
„Zu groß?“ Das Dienstmädchen unterbrach die Arbeit an dem Saum und erhob sich aus der knienden Position.“
„Ja, schau nur.“ Mistress Malloy legte den Stapel frischer Betttücher auf das Bett und trat dann dicht an Briana heran. „Dieser Halsausschnitt ist zu tief. Man sieht viel zu viel entblößte Haut. Und der Stoff gefällt mir auch nicht. Er ist zu weich. Man schaue sich nur an, wie er sich an den Körper von Miss Briana schmiegt.“ Die Haushälterin fand, dass Briana viel zu verführerisch in ihrem Kleid aussah.
Cora überlegte. „Es ist zu spät, jetzt noch etwas zu verändern. Wir können auch so schnell kein anderes Gewand passend machen. Man könnte allerdings einen Schal zu Hilfe nehmen
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