155 - Briana - Tochter Irlands - Langan, Ruth
der Butler über den gepflasterten Weg gelaufen.
„Mylord!“ Schwer atmend blieb Vinson stehen, als er seinen Herrn entdeckte. „Habt Ihr Euer Treffen mit den Dorfältesten vergessen?“
Keane war wie vom Donner gerührt. Über dem Zusammensein mit Briana hatte er tatsächlich alles um sich herum vergessen.“
„Euer Pferd ist gesattelt, die Tasche gepackt“, informierte Vinson ihn.
„Danke. Kümmere dich bitte darum, dass die junge Dame sicher zurück in ihre Gemächer geleitet wird.“ An Briana gewandt, meinte Keane: „Bitte, verzeiht den jähen Aufbruch, Mylady. Aber in Eurer bezaubernden Gesellschaft habe ich Zeit und Raum vergessen.“
Er strich mit den Lippen über ihren Handrücken, und sein Herzschlag setzte kurz aus. „Ich werde für mehrere Tage geschäftlich unterwegs sein“, erklärte er. Wenn Ihr irgendeinen Wunsch hegt oder irgendetwas braucht, wendet Euch an Vinson. Er wird sich um alles kümmern.“
„Das ist überaus freundlich von Euch“, versicherte Briana.
Keane hielt nach wie vor ihre Hand zwischen seinen Händen. Als ihm bewusst wurde, dass sein Butler ihn äußerst aufmerksam beobachtete, ließ er Briana los und wandte sich zum Gehen.
7. KAPITEL
Keane strich sich mit einem Unterarm über die Stirn. Gleichzeitig trieb er seinen Gaul die Steigung hinauf. Als er die Spitze des Hügels überwunden hatte und sich auf dem Weg nach unten ins Tal befand, konnte er tief unter sich das Dorf von Carrick sehen.
Obwohl die Wiesen und Hügel ringsum grün waren, lag über dem Ganzen doch ein Hauch von Verfall. Die Hütten wirkten sauber, aber ärmlich. Die Tiere auf den Weiden waren zwar gepflegt, doch schienen sie Keane etwas zu dünn zu sein.
Sein Blick fiel auf den Friedhof mit den vielen frischen Gräbern. Zu viele waren es, die hier in jüngster Vergangenheit begraben worden waren.
Während Keane seinen Weg in Richtung Carrick House fortsetzte, wurde er gelegentlich von dem einen oder anderen Dorfbewohner gegrüßt; manchmal nickten ihm Bäuerinnen knapp zu. Doch alles in allem gab es keinerlei Hinweis darauf, dass die Bewohner des Dorfes Carrick ein besonders herzliches Verhältnis zu dem Herrn über Carrick House pflegten.
Wo auch immer Keane hinkam, spürte er, dass sein übler Ruf ihm vorausgeeilt war. Doch das machte ihm nicht sonderlich viel aus. Er hatte gelernt, damit umzugehen – wie er gelernt hatte, mit allen Unannehmlichkeiten in seinem Leben umzugehen. Er wischte Schwierigkeiten kurzerhand beiseite und zog weiter seines Weges.
Falls er doch gelegentlich einen kleinen schmerzlichen Stich irgendwo in seinem Bewusstsein verspürte, nahm er auch das gelassen hin. Schmerz war etwas, was es auszuhalten galt. So wie das gesamte Leben einfach irgendwie ausgehalten werden musste.
Ein langer, schmaler Pfad schlängelte sich durch ein hübsches Waldstück, wo es kühl und schattig war. Moosbedeckte umgestürzte Baumstämme und Flechten, die allerorten wurzelten, zeugten von einem Stück gänzlich ungezähmter Natur.
Als Keane mit seinem Pferd aus dem Wald herauskam, fiel sein Blick direkt auf Carrick House, dessen silbergraue Fassade im Sonnenlicht schimmerte. Für einen Moment rührte sich tief in seiner Brust ein seit der Kindheit nicht mehr verspürtes heimatliches Gefühl.
Zunächst war Keane verwundert über seine Empfindungen. Seit er ein kleiner Junge gewesen war, hatte er nichts dergleichen mehr gefühlt. Und das ist gut so, dachte er und schüttelte die Erinnerung entschlossen ab. Er brauchte und wollte keinerlei Bindungen, die es nur unnötig erschweren würden, Irland für immer den Rücken zu kehren.
Das Pferd spürte wohl den heimatlichen Stall. Als Keane die Zügel locker ließ, trabte es mit zunehmendem Tempo über die grünen Wiesen nach Hause.
Keane war genauso froh wie sein Ross, wieder zu Hause zu sein. Die Rundreise über seine Ländereien hatte mehr als eine Woche lang gedauert. In dieser Woche hatte er die meiste Zeit in üblen Spelunken und armseligen Gasthäusern verbracht, wo nicht nur Essen und Trinken kaum genießbar gewesen waren, sondern auch die Leute dort waren ihm zeitweise unerträglich gewesen.
Jetzt übergab Keane dem Stallburschen die Zügel und ging dann mit großen Schritten zum Haus.
„Herzlich willkommen daheim, Mylord“, begrüßte ihn Vinson und nahm seinem Herrn den staubigen Umhang ab. „Die Geschäfte hielten Euch wohl doch länger auf, als Ihr gedacht hattet, nicht wahr?“, erkundigte sich der Butler
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