155 - Die toten Augen von St. Lamberti
Kirche. Ebenso die Hexe."
Der Dämon nickte. Eine grünliche Aura ging von ihm aus. Sie war es, die die nassen Wände der Höhle glitzern ließ.
„Du wirst sie herab in dein Reich locken, Thoragis", sagte er mit hohler Stimme. „Diesmal wird der Dämonenkiller vergeblich auf die Hilfe der abtrünnigen Hexe vertrauen."
Thoragis lauschte der hohlen Stimme, die ihm einen Plan unterbreitete. Unterwürfig nickte er.
„Ich werde dir den Dämonenkiller in die Hände spielen", sagte er.
„Vergiß nicht, daß ich ihn lebend brauche, Thoragis! Du hältst deine Säfte zurück. Ich habe Beatha versprochen, daß sie ihn töten darf, wenn ich die Antworten auf meine Fragen habe."
Thoragis schmatzte heftig.
Er wußte, daß Luguri demjenigen, der den Dämonenkiller tötete, seine Gunst schenken würde. Dennoch wagte er nicht, etwas zu erwidern.
Der grünliche Schimmer war auf einmal verschwunden.
Thoragis sackte in sich zusammen und war Sekunden später wieder das gallertartige Wesen, das sich über den Boden vorwärts wälzte.
Sein Schlürfen und Schmatzen wurde heftiger. Je weiter er sich den Gängen unter der Kirche näherte, desto deutlicher spürte er die schwache Ausstrahlung der abtrünnigen Hexe.
Er wußte, daß er nicht in die Kirche eindringen konnte. Die heiligen Symbole bereiteten ihm unerträgliche Schmerzen.
Er mußte den Dämonenkiller in die Krypta locken.
Hastig begann er damit, eine Höhle unter den Steinplatten der Krypta zu graben. Dann verformte sich ein Tentakel seines Schleimklumpens zu einer Hand, nahm einen faustgroßen Felsstein auf und begann, ihn gegen die Steinplatte über sich zu schlagen.
Hans Lettau war bleich.
Der Dämonenkiller sah ihm an, daß es weitere Vorfälle in St. Lamberti gegeben hatte. Als er mit Coco und Kommissar Krombach die Sakristei betrat, vernahm er ein dumpfes Poltern und einen Knall.
Krombach zuckte zusammen.
„Was war das?" fragte er.
Die Lippen des Vikars zitterten. Er warf Dorian einen flehenden Blick zu.
„Irgend jemand wird etwas fallen gelassen haben", sagte der Dämonenkiller und schob den Kommissar weiter in die Bibliothek. Er wartete, bis der Vikar neben ihm war. „Sie haben den Kirchenraum hoffentlich abgeschlossen, Lettau?"
Der Vikar nickte.
„Es wird immer schlimmer, Herr Jäger. Ich werde den Bischof informieren müssen."
„Warten Sie bis morgen früh damit", gab Dorian leise zurück.
Krombach war an einen Tisch gegangen, zog einen Stuhl hervor und setzte sich.
„Sagen Sie Lettau, was wir von ihm wollen, Herr - Jäger", sagte er.
Dorian erklärte es dem Vikar.
„Es muß doch Dokumente geben, in denen die Namen der wichtigsten Wiedertäufer verzeichnet sind", sagte er am Schluß.
Hans Lettau nickte.
Er ging zu einem Bücherschrank hinüber, öffnete ihn und holte ein Buch hervor, ohne daß er lange danach hätte suchen müssen.
Dorian nahm es ihm aus der Hand. Der Titel des Buches lautete „Die Täufer in Münster 1534"
„Wie lauten die Namen der Personen, die Sie suchen?" fragte Lettau.
„Gabi Brock als erstes", sagte Krombach.
Lettau schlug das Buch auf, in dem Daten von mehr als achthundert damals in Münster lebenden Personen verzeichnet waren.
Während der Vikar blätterte, sagte er: „Viele der damaligen Namen sind im Laufe der Jahrhunderte verändert worden. Nein, einen Brock scheint es damals nicht gegeben zu haben. Es gab aber einen Gerhard Kibbenbrock im Rat der Stadt. Eine seiner Töchter, Anna, ist eine der Frauen Jan van Leydens gewesen. Sagen Sie mir die Namen der anderen Mädchen."
„Lydia Moderson", sagte Krombach, der immer noch zweifelte, ob es Sinn hatte, was sie hier taten, „Frauke Tilbeck, Stefanie Kerrinck, Ingeborg Schacht…" Er verstummte, denn Hans Lettaus Gesicht zeigte fassungsloses Staunen.
„Mein Gott!" stieß der Vikar hervor. „Margaretha Moderson war ebenfalls eine der Frauen Jan van Leydens! Der Name Kerrinck weist vielleicht auf Kerckerinck hin. Engele Kerckerinck war auch mit Jan van Leyden verheiratet. Es gab eine zweite Engele Kerckerinck, doch sie war die Frau Christoph von Waldecks, des Neffen des Bischofs."
Krombachs Kopf ruckte zu Dorian herum. Sie starrten sich in die Augen. Der Kommissar atmete schwer. In seinem eckigen Gesicht spiegelten sich die widerstrebendsten Empfindungen wider.
Noch sträubte er sich dagegen, daran zu glauben, daß die Geister der Vergangenheit nach Münster zurückgekehrt waren. Er hatte es immer abgelehnt, an übernatürliche Dinge zu
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