155 - Die toten Augen von St. Lamberti
glauben.
„Hermann Tilbeck war Bürgermeister vor der Wiedertäuferzeit", fuhr Lettau fort, der nichts von der Erregung Krombachs bemerkt hatte.
„Er war kein Wiedertäufer?" fragte Coco Zamis.
„Doch. Nachdem Jan van Leyden nach Jan Matthys Tod die Führung der Wiedertäufer übernommen hatte, löste er den Rat auf und ernannte zwölf Männer zu den ,Ältesten Israels', die die Stadt regieren sollten. Tilbeck gehörte dazu." Er blätterte wieder in dem Buch. „Schacht", murmelte er. „Hm. Vielleicht eine Abwandlung von Schlachtschaf. Heinrich Schlachtschaf war einer der siebenundzwanzig Apostel, die Jan van Leyden aus der Stadt schickte, um den Glauben der Wiedertäufer im Lande zu verbreiten. Er ist mit sieben anderen Propheten' in Soest enthauptet worden."
„Was ist mit Beatha Wolf?" fragte Dorian. „Kennen Sie ihren Mädchennamen, Lettau?"
Der Vikar starrte den Dämonenkiller mit weit aufgerissenen Augen an. Dann nickte er langsam. „Dolling", flüsterte er. „Beatha Dolling."
„Sagt Ihnen der Name etwas?"
„Knipperdollinck", hauchte Lettau.
„Einer der Männer, deren Leichnam man in einem Käfig an der Fassade von St. Lamberti aufhängte", murmelte Dorian.
„Vielleicht ist Beatha Dolling aber auch eine Nachfahrin der beiden Kniperdollinck-Töchter, die mit Jan van Leyden verheiratet waren", sagte Hans Lettau heiser. „Obwohl es heißt, daß Jan van Leyden nur je eine Tochter von der Königin Divara und von Margarethe Moderson gehabt haben soll."
Coco und Dorian wechselten einen kurzen Blick.
Hans Lettau hatte keine Ahnung, wie sehr er ihnen geholfen hatte. Sie spürten beide, daß irgendein Dämon der Schwarzen Familie mit ihnen ein hinterhältiges Spiel trieb. Doch was bezweckte er damit?
Draußen in der Kirche gab es wieder einen Knall.
Der Vikar zuckte zusammen.
„Ich sehe mal nach", sagte er gepreßt.
Auch der Kommissar erhob sich.
„Ich komme mit, Lettau", sagte er. „Irgend etwas geht hier nicht mit rechten Dingen zu."
Lettau warf einen hilfesuchenden Blick auf Dorian, aber der konnte ihm nicht helfen, ohne das Mißtrauen des Kommissars noch zu vergrößern.
Die beiden Männer verließen die Bibliothek.
Coco und Dorian blickten sich an.
„Kannst du dir die Geschehnisse erklären, Dorian?" fragte Coco leise. „Der Ghoul, die Schattenfrau, der junge Christoph von Waldeck, die Mädchen und der Dämon, der dich in Wolfs Haus angriff - wie paßt das alles zusammen?"
„Ich weiß es nicht", murmelte Dorian. „Aber jemand hat mich mit voller Absicht nach Münster gelockt, indem er dafür sorgte, daß Phillip die Vision hatte. Der Dämon, der dahintersteckt, hat keine Möglichkeit ausgelassen, mich auf Münster aufmerksam zu machen."
„Aber die Schattenfrau! Wie paßt sie in dieses Spiel? Allem Anschein nach gehörte Gabi Brock zu der neuen Sekte. Und der junge Waldeck? Wieso haben sie ihn aus Frankfurt hierhergelockt?"
Der Dämonenkiller zuckte mit den Schultern.
„Vielleicht hat der Dämon, der hinter allem steckt, Schatten der Vergangenheit geweckt, ohne es zu wollen. Wir müssen uns an das Haus Ludwig Wolfs halten. Mit Beatha Wolf stimmt irgend etwas nicht. Kannst du dir vorstellen, daß ein eingefleischter Junggeselle innerhalb von ein paar Tagen ein Mädchen kennenlernt und es heiratet? Schwarze Magie steckt dahinter, das ist sicher. Ludwig Wolf war nicht er selbst, davon bin ich jetzt überzeugt."
Coco hatte den Zeigefinger auf ihre vollen roten Lippen gelegt.
„Du könntest recht haben, Dorian", murmelte sie. „Hast du schon mal über den Vornamen Beatha nachgedacht?"
Der Dämonenkiller starrte seine Gefährtin an.
„Du meinst - Bethiar und Athasar. Ihr Name wird aus den Anfangssilben der beiden männlichen Dämonendrillinge gebildet! Mein Gott, ist es möglich, daß es einen Nachkommen der Dämonendrillinge gibt?"
Coco nickte langsam. „Daß Bethiars Silbe an erster Stelle steht, könnte bedeuten, daß er der Vater Beatha Wolfs ist."
„Und ihr Mädchenname Dolling, der auf den Wiedertäufernamen Knipperdollinck hinweist?"
„Das könnte Zufall oder Absicht sein, um uns irrezuführen."
Dorian stieß scharf die Luft aus.
„Wir werden auf Don warten. Wenn er mit den Waffen zurück ist, werden wir uns das Wolfsche Haus vornehmen und uns Beatha Dolling ansehen." Er blickte auf seine Uhr. Es war inzwischen nach elf. Sie hatten noch knapp drei Stunden Zeit, bis Don Chapman im Magnetfeld unter dem Bogengang erscheinen würde.
Sie hörten Schritte.
Der
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