155 - Die toten Augen von St. Lamberti
mehr wissen, als Sie sagen", stieß er hervor. „Was ist mit dem Sendschwert, Hunter?"
„Sie vermuten wahrscheinlich, daß es die Tatwaffe ist, Chef', mischte sich Olaf Leskien ein. „Und wenn es vorhin noch da war, wie Krämer behauptet, dann kann sein neuerliches Verschwinden nur bedeuten, daß der Mörder ein zweites Verbrechen plant."
„Malen Sie den Teufel nicht an die Wand, Leskien", stöhnte der Kommissar.
„Er hat wahrscheinlich recht, Kommissar", sagte Dorian. „Die Frage ist nur, wer das nächste Opfer ist."
„Sie tun so, als würden Sie den Täter kennen, Hunter!"
Dorian kannte ihn auch. Aber konnte er Krombach etwas von der Schattenfrau erzählen, die Phillip in seiner Vision gesehen hatte?
„Ich nehme an, daß das nächste Opfer aus Gabi Brocks Freundeskreis kommt. Und zwar jemand, der ein Nachfahr eines Wiedertäufers ist. Wir müssen jemanden finden, der sich mit der Wiedertäufer-Geschichte genau auskennt, und die Namen von Gabi Brocks Freundinnen mit denen der damaligen Wiedertäufer vergleichen. Ordnen Sie vorsichtshalber die Überwachung der Mädchen an, die Sie auf Ihrem Zettel stehen haben, Krombach. Obwohl ich nicht glaube, daß es viel nützen wird." Der Kommissar raufte sich das Haar.
Was dieser Mann da von sich gab, hörte sich an wie das Gerede eines Spinners.
„Vikar Lettau von St. Lamberti kennt sich mit den Wiedertäufern bestens aus", sagte Olaf Leskien. „Gut", murmelte Krombach. „Gehen wir zu ihm. Sie fahren zum Revier, Leskien, und veranlassen, daß sämtliche Personen auf der Liste überwacht werden. Und kommen Sie dann umgehend zu Lettau, verstanden? Wir gehen zu Fuß zurück."
Leskien stieg in den BMW und wendete mit kreischenden Reifen.
„Das hat er vom Fernsehen abgeguckt", knurrte Krombach. Dann setzte er sich in Bewegung.
Dorian und Coco folgten ihm.
Der Dämonenkiller klärte den Kommissar auf, daß er dem Vikar einen falschen Namen genannt hatte, und bat ihn, ihn ebenfalls mit Jäger anzureden.
In den dunklen Augen des Kommissars glomm wieder Mißtrauen auf. Doch er sagte nichts. Der Gedanke daran, daß in dieser Nacht ein zweiter Mensch in Münster getötet werden könnte, jagte ihm kalte Schauer über den Rücken.
Thoragis fühlte sich gekräftigt. Er war zum Zentralfriedhof gegangen und hatte sich an einer frischen Leiche delektiert.
In der Gestalt Bernd Roths hatte er den Rückweg zur St. Lambertikirche angetreten. Er sah die Männer auf dem Prinzipalmarkt, doch sie entlockten ihm nur ein müdes Grinsen.
Die Menschen waren immer gleich. Seit Jahrhunderten lebten die Dämonen unter ihnen. Immer wieder gab es hellsichtige Männer und Frauen, die sie vor der Gefahr durch die Dämonen warnten, doch noch nie hatte man diese Warnungen ernst genommen.
Thoragis seufzte.
Nur zu gern dachte er an die beiden Jahre zurück, die er vor vierhundertfünfzig Jahren hier in Münster verbracht hatte. Im Auftrag Asmodis, des damaligen Fürsten der Finsternis, war er nach Münster gekommen, hatte einen Kirchenmann namens Bernhard Rothmann getötet und seine Gestalt angenommen. Asmodis Schwarze Magie hatte ihn damals vom Verwesensgeruch befreit, so daß niemand bemerkte, daß ein Ghoul in Bernhard Rothmanns äußere Hülle geschlüpft war.
Er hatte mit feurigen Predigten die Bürger von Münster dazu gebracht, sich von der offiziellen Lehre der katholischen Kirche und auch von den reformatorischen Gruppen um Luther und Calvin abzuwenden.
Männer wie Bernhard Knipperdollinck und Jan Bockelson, der aus Leyden gekommen war, zusammen mit Jan Matthys, der sich für den neuen Propheten Henoch hielt, waren ihm willfährige Geschöpfe.
Thoragis kicherte bei dem Gedanken an Jan Matthys, der so einfältig war, am Ostersonntag im Jahre 1534 aus dem St. Ludgeritor den Soldaten des Bischofs von Waldeck entgegen zu gehen. Sie hatten ihn mit einer Lanze durchbohrt und in Stücke gehauen.
Es waren zwei Jahre des Überflusses gewesen mit täglich neuen Höhepunkten.
Jetzt hatte ihn ein mächtiger Dämon nach Münster zurückbeordert. Er war gern gekommen - der Erinnerungen wegen.
Außerdem konnte es nicht schaden, wenn man dem neuen Fürsten der Finsternis, Luguri, einen Dienst erwies.
Als erstes hatte er Beatha Dolling aufsuchen müssen. Sie war eine schwache Dämonin, die von einer Vampirfamilie in Nürnberg adoptiert worden war. Sie kannte nicht einmal ihre Herkunft, bis Thoragis ihr verriet, daß einer der Dämonendrillinge, die vor ein paar Jahren in London ihr Ende
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