155 - Kriminalfall Kaprun
wäre sicher kontraproduktiv und dem Verfahren sowie dem Ansehen Österreichs abträglich.«
Trotz dieser Klarstellung waren Staatsanwältin und Untersuchungsrichterin gegenüber der KTZ zum Handeln gezwungen, weil sie auf die Untersuchungsergebnisse der »ersten Stunde« nicht verzichten konnten.
Sechs Tage nach Erscheinen des Artikels schickt die Untersuchungsrichterin ein Schreiben an den KTZ -Chef. Sie fordert ihn unmissverständlich auf, »Ermittlungsergebnisse und allfällige Erhebungsberichte über sämtliche Spurensicherungs- und Brandanalysenergebnisse einschließlich der Ergebnisse der physikalischen und chemischen Untersuchungen der sichergestellten Materialien umgehend an das Gericht zu übermitteln«.
Zumindest der Schriftverkehr zwischen Gericht und KTZ funktioniert. Am 5. Februar 2001 schickt der KTZ -Chef sein Antwortschreiben an die Untersuchungsrichterin, in dem es heißt, dass die KTZ nach Abschluss der Untersuchungen des Wracks und des Vergleichszugs in etwa drei Wochen sämtliche geforderten Beweismittel, Untersuchungsergebnisse und Unterlagen übermitteln wird.
Ende Februar schließen die Arbeiter die technisch aufwändige Bergung der Zuggarnituren unter Anwesenheit der gerichtlich bestellten Sachverständigen, einiger Angehöriger und der KTZ -Beamten, deren Chef die Bergung als sinnlos und teuer kritisiert hatte, ab. Danach findet eine Besprechung mit Staatsanwaltschaft, Gericht, den Sachverständigen und den KTZ -Beamten statt.
Wieder haben die KTZ -Beamten nichts im Gepäck. Es kommt zu einem heftigen Streit, und am Ende steht ein allerletzter Kompromiss. In der Hoffnung von Staatsanwältin und Untersuchungsrichterin, dass es vielleicht doch noch zu einer Zusammenarbeit kommt, vereinbaren sie, dass nach Vorlage der Ermittlungsergebnisse und Erhebungsberichte sowie der sichergestellten Beweismittel eine gemeinsame Untersuchung der geborgenen Zuggarnituren für die gerichtlich bestellten Sachverständigen vorstellbar ist. Die Salzburger geben den Wienern damit quasi eine letzte Chance.
Kapitel 20
Als Anton Muhr am 13. März 2001 die große Werkshalle in Linz aufsperrt, kann er ein Gefühl der Erleichterung nicht unterdrücken. Direkt vor ihm, in der sogenannten Vabio-Halle auf dem Firmengelände des Stahlkonzerns Voest, stehen jetzt die beiden Garnituren der Gletscherbahn. Die bis auf das Chassis abgebrannte »Kitzsteingams« und der Vergleichszug, der »Gletscherdrache«.
Die Garnituren sind jeweils in zwei Hälften zerlegt und auf vier Stahlträger aufgebockt. Wochenlang hat Muhr nach einer geeigneten Halle gesucht, um hier in Linz endlich fündig zu werden. Jetzt kann er sich für seine Untersuchungen endlich unter den Zugbegeben. Neben dem Heizlüfter als mögliche Zündquelle kann er einen Lagerschaden der Räder oder einen Kurzschluss in der Elektrik noch immer nicht ausschließen. Den Heizlüfter, das zentrale Beweisstück, hat er bis heute nicht bekommen.
Muhr hat sich eine Pfeife angezündet und ist unter Beisein zweier Gendarmen gerade mit Sichtprüfungen unter dem Brandwrack beschäftigt, als zwei weitere Gutachter eintreffen. Einer ist für die Seilbahntechnik zuständig, der andere inspiziert die Türen- und Sicherheitseinrichtungen der Züge. Die drei unterhalten sich über die Tagesplanung. Immerhin haben sich auch die KTZ -Beamten für diesen Tag angesagt. Erstmals seit der Katastrophe vor vier Monaten nehmen sie gemeinsame Untersuchungen am Brandwrack vor.
Wenig später öffnet sich erneut die Metalltür, und es schlendern Beamte der KTZ in die Halle. Muhr und seine Gutachterkollegen halten sich nicht lange mit Begrüßungsfloskeln auf. »Guten Morgen«, sagt Muhr. »Haben Sie alles mit, Unterlagen und Beweismittel? Den Heizlüfter?«
Die Antwort fällt kurz und lautstark aus: »Nein.«
Muhr platzt der Kragen: »Das war’s, meine Herren. Raus hier.«
Die KTZ -Beamten ziehen wortlos ab.
Die Zusammenarbeit zwischen den Ermittlern des Innenministeriums und den gerichtlich bestellten Sachverständigen ist damit endgültig gescheitert. Gleich nach diesem Eklat telefoniert Muhr mit der Untersuchungsrichterin und erklärt ihr, dass es vorbei sei. »Wir hören auf«, sagt er.
»Das wäre ein Skandal, bitte bedenken Sie das«, bekniet ihn diese, »wir brauchen unabhängige Ermittlungen. Wir brauchen Sie.«
Muhr gibt schweren Herzens nach. Die Untersuchungsrichterin telefoniert noch am selben Tag mit dem KTZ -Chef in Wien, informiert ihn über das Geschehene und erhöht
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